Der Europäische Stabilitätsmechanismus (kurz ESM, englisch European Stability
Mechanism, französisch Mécanisme européen de stabilité) ist eine internationale
Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg. Er trat am 27. September 2012 mit der Hinterlegung
der deutschen Ratifikationsurkunde beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen
Union in Kraft. Der ESM ist Teil des ”Euro-Rettungsschirms“ und wird die Europäische
Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ablösen.Erster Geschäftsführender Direktor ist der
bisherige CEO der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), Klaus Regling.
Mit dem ESM sollen zahlungsunfähige Mitgliedstaaten der Eurozone finanziell, unter
Einhaltung wirtschaftspolitischer Auflagen (Artikel 13 des ESM-Vertrages), mit Krediten der
Gemeinschaft der Euro-Staaten unterstützt werden, wobei auch anderen. Mitgliedstaaten der
Europäischen Union der Beitritt zu diesem Vertrag offen steht (Art. 44).
Das wesentliche Instrumentarium des ESM sind Notkredite und Bürgschaften (auch als
„Haftungsgarantien“ bezeichnet): Überschuldete Mitgliedstaaten sollen Kredite unter
subventionierten Konditionen erhalten. Im ESM-Vertrag ist zudem festgeschrieben, dass jeder
Mitgliedstaat, der Hilfe durch den ESM erhält, ein makroökonomisches Anpassungs-
programm umsetzen muss sowie eine tiefgehende Analyse über die Nachhaltigkeit seiner
Staatsschuldensituation unternehmen soll (Art. 12, Art. 13 Abs. 3 ESM-Vertrag).
Der ESM wird begründet durch den „Vertrag zur Einrichtung des Europäischen
Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland,
der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der
Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem
Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik
Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen
Republik und der Republik Finnland“.
Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde am 23. Januar 2012 von den Finanzministern der Euro-
Staaten beschlossen und am 2. Februar 2012 durch die Botschafter der Mitgliedstaaten in
Brüssel unterzeichnet. Inzwischen haben alle Unterzeichnerstaaten den Vertrag ratifiziert.
Die Finanzminister der Euro-Staaten billigten zudem am 14. September 2012 in Nikosia die
vom Bundesverfassungsgericht geforderten Auflagen. Eine entsprechende „interpretative
Erklärung“ zum ESM-Vertrag hat das Bundeskabinett am 26. September 2012 gebilligt; sie
wurde am 27. September 2012 von den Unterzeichnerstaaten beschlossen. Damit trat der
Gründungsvertrag am 27. September 2012 in Kraft.
Ergänzung der Stabilisierungsmaßnahmen durch die EZB
Parallel zu den Maßnahmen des Europäischen Rates begann die Europäische Zentralbank,
Staatsanleihen gefährdeter Euro-Staaten zu kaufen (SMP). Mit dieser Entscheidung wich die
EZB von ihrem bisherigen Grundprinzip ab, niemals Staatsanleihen von Mitgliedstaaten zu
kaufen. Art. 123 AEU-Vertrag verbietet den unmittelbaren Erwerb von mitgliedstaatlichen
Schuldtiteln durch die Zentralbank („No Bailout“). Da die jeweiligen Staatsanleihen nicht
direkt beim jeweiligen Emittenten (nicht unmittelbar), sondern (nur mittelbar) auf dem
Sekundärmarkt von der EZB „gekauft“ wurden und weiterhin werden (Outright Monetary
Transactions) wird diese Umgehung nunmehr als rechtlich legitim kommuniziert.
ESM-Vertrag ohne Austrittsrecht
Es wird kritisiert, dass der ESM auf Dauer angelegt ist und es kein Austrittsrecht für ESM-
Mitgliedstaaten gibt. Laut Völkerrecht gibt es nur die Möglichkeit zu kündigen, wenn sich die
Grundlagen insgesamt verändert haben. Im Vorfeld der Abstimmung in Deutschland am 29.
Juni 2012 über das Gesamtpaket der Maßnahmen zur Rettung des Euro gab es
unterschiedliche Auslegungen. Die Bundesregierung vertrat die Ansicht, Interessen der
einzelnen Bundesländer seien „in Angelegenheiten des ESM nicht betroffen“ und es handle
sich um einen völkerrechtlichen Vertrag.
Die Mitglieder des Gouverneursrats sind Regierungsmitglieder der jeweiligen ESM-
Mitglieder mit Zuständigkeit für Finanzen, womit nach Ansicht von Kritikern die jeweilige
Finanz-, bzw. Budget-Souveränität in Fragen des eigenen Staatshaushaltes abgetreten wird.
Jeder Mitgliedstaat, der Hilfe durch den ESM erhält, hat ein makroökonomisches
Anpassungsprogramm umzusetzen, also wirtschaftspolitische Auflagen einzuhalten (Art. 13).
Gegenüber dem ESM ist der IWF als Gläubiger vorrangig (Präambel des Vertrages, Seite 8,
Nr. 13).
Kritisiert wird, dass das ESM-Kapital zunächst 700 Milliarden Euro beträgt, aber unbegrenzt
erhöht werden könne. Das ginge zwar nur mit der Stimme des deutschen Vertreters, der
allerdings an Weisungen des Parlaments nicht gebunden ist. Der Bund der Steuerzahler
schätzt es als unwahrscheinlich ein, dass der deutsche Finanzminister sein Veto in einer
entsprechenden Euro-Notsituation einlegt. Den Bedenken wurde dadurch Rechnung getragen,
dass eine solche Veränderung erst in Kraft tritt, wenn die Mitgliedstaaten den „Abschluss
ihrer jeweiligen nationalen Verfahren“ vollzogen haben (Art. 10 Abs. 1 Satz 3).
Haftung für Anteile anderer Mitglieder
Eine besondere Brisanz liegt in der folgenden Regelung: Wenn ein Land als Zahler ausfällt,
weil es selbst finanzielle Hilfen benötigt, müssen die anderen Staaten das – durch den Ausfall
dieses Landes – fehlende Kapital zusätzlich aufbringen (Art. 25 Abs. 2 ESM-Vertrag).
Deutschland hafte für bis zu 748 Milliarden Euro, errechnete das Ifo-Institut.
Der Spiegel schrieb einen Tag vor dem ESM-Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
„Der als Berichterstatter zuständige Verfassungsrichter Peter Huber und seine Kollegen
brachten schon in der Verhandlung Anfang Juli vor allem gegen den ESM immer wieder
Bedenken vor: Etwa gegen den Umstand, dass Deutschland vorübergehend das Stimmrecht
im ESM entzogen werden könne, wenn es Streit über die deutschen Zahlungspflichten gäbe.
Dass der Mechanismus ausdrücklich Nacht- und Nebel-Entscheidungen vorsieht, bei denen
der Bundestag außen vor bleiben muss. Vor allem aber, dass der ESM einen Automatismus
auslösen könnte, bei dem immer mehr Geld nachgeschoben werden muss, um die Kosten bei
einem Scheitern zu vermeiden, die aber bei der nächsten Runde dann noch höher sein
werden.“
Nachforderungsmechanismus
Kritisiert wird, dass das ESM-Management restliches Haftungskapital (derzeit bis zu 620
Milliarden Euro) bereits mit einfacher Mehrheit nachfordern könne.
Beteiligung privater Gläubiger nur ausnahmsweise
Die Schadensbeteiligungspflichten privater Gläubiger sind dem Bund der Steuerzahler viel zu
vage. In der ESM-Vertragspräambel ist lediglich von einer Beteiligung in „Ausnahmefällen“
die Rede.
Kreditvolumen nicht ausreichend
Der IWF und die OECD haben wiederholt gewarnt, dass die bisher geplanten Maßnahmen des
Euro-Rettungsschirms nicht ausreichen, falls große Euro-Staaten in Schieflage geraten.
Kreditvergabe nicht transparent
Die Tatsache, dass die Vergabe von ESM-Krediten durch den Gouverneursrat erfolgt, und
hier keine objektiven, transparenten Kriterien definiert sind, wurde kritisiert. In Artikel 34 ist
geregelt, dass die Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen
Personen, die für den ESM tätig sind oder waren, einer beruflichen Schweigepflicht, auch
gegenüber dem eigenen Mitgliedsstaat, unterliegen. Einziger Entscheidungsfaktor für eine
Aktivierung des ESM sei, ob „dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-
Währungsgebietes zu wahren“, was als rein subjektives, politisches Entscheidungskriterium
aufgefasst wurde. Entscheidungen über die Vergabe von ESM-Mitteln sind unanfechtbar. Bei
„Gefahr in Verzug“ kann die Vergabe von Krediten und Haftungen mit qualifizierter
Mehrheit von 85 Prozent des Grundkapitals beschlossen werden, was kleinere Staaten nach
Ansicht von Kritikern potenziell benachteiligt.
Quelle: Wikipedia, die freie Enzyklopädie (dort gibt es weitere Quellenangaben)