Epicenter schreibt dazu: Wie schon in unserer Analyse des Regierungspro-
gramms vom Dezember des Vorjahres zu sehen ist, plant die schwarz-blaue
Regierung Verschlechterungen beim Datenschutz im Bildungsbereich, die
personenbezogene Daten aller Schüler/innen betreffen. Die ersten problema-
tischen Änderungen wurden bereits zusammen mit den Anpassungen an die
europäische Datenschutz-grundverordnung beschlossen.
Standardisierte Bespitzelung von Familien?
Die Teilnahme an standardisierten Tests ist nun gesetzlich vorgeschrieben. Im
Rahmen dieser Tests sind Schülerinnen und Schüler verpflichtet, auch Aus-
kunft über die sozio-ökonomischen Verhältnisse der Eltern zu geben. Als Bei-
spiele zählt das neue BIFIE-Gesetz rudimentär "Herkunft, Berufsstand der
Eltern und soziale Situation" auf. In der Praxis sind das etwa Fragen zu den
Büchern, die zuhause gelesen werden oder was Eltern mit ihren Kindern in der
Freizeit unternehmen.
Momentan ist das, derzeit staatliche, Bundesinstitut für Bildungsforschung,
Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) mit der
Durchführung dieser Testungen beauftragt. Angesichts der im Regierungspro-
gramm vorgesehenen Auflösung des BIFIE stellt sich die Frage, ob dessen
Aufgaben dann an private Unternehmen delegiert werden. In diesem Fall ist
nicht absehbar, was mit den erhobenen Daten geschehen wird. Außerdem ist
im Regierungsprogramm eine Ausweitung von standardisierten Testungen ab
der Volksschule geplant. Intransparenz bei den Fragen, Datenerhebung kaum
eingeschränkt
Im Rahmen der Gesetzesanpassungen an die europäische Datenschutzgrund-
verordnung wurden Änderungen vorgenommen. Diese ab 1. Jänner 2019 in
Kraft tretenden Gesetzesänderungen enthalten neben begrifflichen Anpas-
sungen an die Datenschutzgrundverordnung eine weit gefasste Möglichkeit zur
Erhebung von sensiblen – das Privatleben betreffenden – personenbezogenen
Daten.
Der Bundeselternverband hat bereits kritisiert, dass die Befragung in einer Art
erfolgt, in der die Schülerinnen und Schüler nicht erkennen, worum es bei den
gestellten Fragen geht. Informationen dazu, welche Fragen im aktuellen Schul-
jahr verwendet werden, fehlen bislang noch.
Es ist nicht transparent, welche Daten überhaupt erhoben werden sollen und
was der Zweck der Erhebung ist. Weiters werden auch die Eltern nicht korrekt
über die Erhebung informiert. So wird z.B. in den Informationsunterlagen des
BIFIE erklärt, dass die Daten anonym erhoben werden. In der Praxis werden die
Daten jedoch nur pseudonymisiert und der Personenbezug lässt sich – wenn
auch mit einem gewissen Aufwand – wiederherstellen.
Zwar kann argumentiert werden, dass evidenzbasierte Bildungspolitik positiv
zur Bildungsforschung und Qualitätsentwicklung beitragen kann. Finnland hat
eines der meistgelobten Bildungssysteme und setzt dennoch nicht auf standar-
disierte Tests. Hier wird vielmehr auf Individualisierung statt Quantifizierung
gesetzt.
Wird das BIFIE, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, in Zukunft priva-
tisiert, erhalten Unternehmen tiefe Einblicke in die Privatsphäre von Minder-
jährigen und deren Eltern und können diese für kommerzielle Zwecke nutzen.
Wenn etwa gefragt wird, wie oft die Eltern auf Urlaub fahren, welche TV-Geräte
die Familie hat, ob die Eltern oft zuhause sind oder dergleichen, sind das wert-
volle Informationen für marketingtreibende Unternehmen. Es ist unverständ-
lich, warum eine so sensible Aufgabe, wie die Auswertung solcher Tests, die
Schutzbefohlene betreffen, nicht in staatlicher Hand bleibt.
Das BIFIE kann derzeit selbst bestimmen, welche Daten zu erheben sind und
wie dies erfolgt. Kommt es zu einer Privatisierung, wird durch die kaum vor-
handene Einschränkung der möglichen Datenfelder und durch die Intrans-
parenz bei den Fragen eine Kontrolle der Erhebungen verunmöglicht. Schätz-
ungen zufolge ist der US-Markt zu standardisierten Tests zwischen 400 und
700 Millionen US-Dollar wert.
Gläserne, maßgeschneiderte Schüler und Schülerinnen
Nach dem Regierungsprogramm soll für jede Schülerin und jeden Schüler eine
durchgehende Bildungs- und Leistungsdokumentation eingeführt werden, die
ab dem verpflichtenden Kindergartenbesuch bis hin zum Abschluss der schu-
lischen Bildungslaufbahn die Bildungsergebnisse einheitlich dokumentiert.
Damit werden in Zukunft alle Menschen in Österreich hinsichtlich der Ent-
wicklung ihrer kognitiven Fähigkeiten und ihrer sozio-ökonomischen Lebens-
verhältnisse vom 4. Lebensjahr bis zum Verlassen des Bildungssystems
durchgehend digital vermessen und dokumentiert.
Problematisch ist nicht nur die Erhebung dieser Daten, sondern auch was mit
einer solchen Datenmenge gemacht werden kann. Sind die Daten einmal vor-
handen, können sie in Zukunft auch für jetzt noch nicht absehbare Zwecke ge-
nutzt werden.
Personenbezogene Daten können grundsätzlich auf verschiedene Arten miss-
braucht werden: entweder durch die Organisation selbst, durch deren Mitar-
beiter oder durch Dritte, die einen Datendiebstahl begehen. Auch der Staat, der
letztendlich die Ansammlung dieser Datenmengen gesetzlich in Auftrag gege-
ben hat, könnte diese Daten zu anderen als den vorgesehenen Zwecken ver-
wenden.
Diese Risiken werden durch die angekündigte Privatisierung des BIFIE massiv
vergrößert. Mehr noch: Ein Teil der Bildungspolitik könnte mittelbar in die Hän-
de von privaten Unternehmen übertragen werden. Der Maßstab der Beurteilung
von Schülerinnen und Schülern könnte damit an kommerziellen Interessen
orientiert werden. Die so erhobenen Daten fließen dann in die Bildungs-
forschung ein und manipulieren letztendlich die Bildungspolitik.
Problematische Änderungen durch die Hintertür statt Anpassungen
an neues Datenschutzrecht
“Epicenter” weiter: Nicht nur im Bildungsbereich, sondern quer durch die Bank
wurden problematische Änderungen durch die Hintertür eingeführt. Wir haben
diese Änderungen bereits unter die Lupe genommen, geprüft und uns durch
mehr als 400 Seiten Gesetz geackert. Mehr darüber im folgenden Blogpost:
Probematische Änderungen durch die Hintertür statt Anpassungen an neues
Datenschutzrecht
Quelle und gesamter Artikel siehe https://epicenter.works/content/verschlechterung-
beim-datenschutz-von-schuelerinnen-und-schuelern