Homophobie (von griech. ὁμός homós: gleich; φόβος phóbos: Angst, Phobie)
bezeichnet eine soziale, gegen Lesben und Schwule gerichtete Aversion bzw.
Feindseligkeit.
Homophobie wird in den Sozialwissenschaften zusammen mit Phänomenen wie
Rassismus, Xenophobie oder Sexismus unter den Begriff „gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit“ gefasst und ist demnach nicht krankhaft abnorm bedingt.
Als Lesbophobie wird ein sich mit Homophobie überschneidendes, sexistisches
Verhalten gegenüber lesbischen Frauen bezeichnet und ist durch eine doppelte
Diskriminierung der davon betroffenen Frauen charakterisiert.
Der Begriff Homophobie weist auf Angst als Ursache des ablehnenden Verhaltens
(siehe dazu unten Ursachen von Homophobie). Angst ist ein anerkanntes
Erklärungsmodell für das aggressive-ablehnende Verhalten nicht nur Jugendlicher,
sondern auch Erwachsener gegenüber Homosexuellen, und zwar nicht Angst vor
diesen Personen, sondern eine tiefsitzende, oft unbewusste Angst vor den eigenen
unterdrückten Persönlichkeitsanteilen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine
phobische Störung im klinisch-psychologischen Sinne.
Homophobie bezeichnet also einerseits eine irrationale Angst vor den eigenen,
nicht in das Selbstbild passenden und deshalb abgewehrten und ins Unbewusste
verdrängten weiblichen bzw. männlichen Persönlichkeitsanteilen und andererseits
die daraus resultierenden Gefühle wie Ekel, Verachtung und Hass und drittens die
durch homophobe Personen in die Gesellschaft getragenen Vorurteile, Verfol-
gungstendenzen und Gewaltpotenziale. Aus tiefenpsychologischer Sicht handelt es
sich bei Homophobie – wie bei Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus – um
eine meist unbewusste Angst, die eigene Identität in Frage zu stellen.
Homophobe Menschen beschäftigen sich häufig exzessiv mit Homosexualität und
wollen sie bekämpfen.
Die verschiedenen Formen homophober Gewalt (seitens Gesellschaft,
Gruppierungen oder Individuen, usw.) müssen als gestörte Verhaltensweisen
bezeichnet werden, die ihrerseits Lesben und Schwule in ihrer Entfaltung teilweise
massiv beeinträchtigen und unter denen sich sekundär psychische Störungen
entwickeln können.
Ausprägungen und Häufigkeit von Homophobie
Dunkelblau: Gleichgeschlechtliche Ehen1
Mittellbau: Andere Formen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften1
Türkis: Anerkennung (im In- oder Ausland geschlossener) gleichgeschlechtlicher
Hellblau: Bedingte Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften auf Bundes-
jedoch nicht Landesebene1
Grau: Keine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
Homosexualität illegal/Einschränkungen
Beige: Einschränkung der Meinungsfreiheit
Gelb: De jure unter Strafe, de facto keine Strafverfolgung
Orange: Empfindliche Strafe
Orangerot: (Lebenslängliche) Haftstrafe
Kreise stellen kleine (auf der Karte ansonsten schlecht sichtbare) Staaten oder örtliche
Gerichtsentscheidungen, die nicht der staatsweiten Legistlative entsprechen, dar.
1Kann Gesetze oder Gerichtsentscheidungen beinhalten, die eine rechtliche Anerkennung von
gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geschaffen haben, aber noch nicht in Kraft getreten
sind.
2Andere Staaten mit ähnlichem Recht werden in dunkleren Farben dargestellt, falls diese auch
gleichgeschlechtliche Partnerschaften kriminalisieren.
Je nach Ausprägung reicht Homophobie von Vorurteilen über ausgeprägte
Abneigung und Befürwortung von Diskriminierung oder staatlichen Repressionen
gegen Homosexuelle bis hin zu äußerstem Hass und körperlicher Gewalt gegen
Homosexuelle.
Es sind auch Fälle bekannt, in denen Homosexuelle nur wegen ihrer sexuellen
Orientierung ermordet wurden (z. B. Matthew Shepard).
In einigen Staaten ist die Tötung von Homosexuellen sogar staatlich organisiert: In
fünf islamischen Ländern werden homosexuelle Handlungen unter Männern mit
dem Tode bestraft. Die Strafbarkeit wird aus der Scharia abgeleitet, die jedoch für
solche Handlungen kein konkretes Strafmaß vorsieht.
Auch in Deutschland (§ 175) trugen Heterosexismus und Homophobie lange zur
Homosexuellenverfolgung bei. Heute sind homosexuelle Handlungen in allen
westlichen Industrieländern (u. a. in ganz Europa, den USA und Kanada) straffrei.
Der Soziologe Michael Bochow vom Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung schreibt zu einer Studie aus dem Jahre 1991:
„In einer vom Bundesministerium für Forschung und Technologie finanzierten
Repräsentativbefragung stimmten 1991 42 Prozent der Westdeutschen und 36
Prozent der Ostdeutschen der vorgegebenen Aussage zu: ‚In der Gegenwart von
Homosexuellen kann einem körperlich unwohl werden.‘
Unter Arbeitern und Rentnern stimmte die Hälfte der Befragten zu (Bochow 1993).
Wird ein Gesamtbild der Einzelergebnisse der Befragung von 2222 Deutschen
versucht, so kann geschlußfolgert werden, dass noch mindestens ein Drittel der
deutschen Bevölkerung als stark schwulenfeindlich eingestuft werden muß; ein
weiteres Drittel ist ambivalent, d. h. nicht durchgängig antihomosexuell, aber
keinesfalls frei von ablehnenden oder klischeehaften Einstellungen. Die
Untersuchung liefert allerdings auch eindeutige Hinweise darauf, daß die
Schwulenfeindlichkeit der (west-)deutschen Gesellschaft seit den siebziger Jahren
abgenommen hat.“
Insgesamt lässt sich unter Erwachsenen in Deutschland im letzten Jahrzehnt
feststellen, dass Homophobie in der deutschen Gesellschaft aufgrund der
Veränderungen in der Darstellung in Medien und verschiedener Aufklärungs-
kampagnen, der Visualisierung von homosexuellen Politikern und homosexuellen
Menschen/Paaren im Alltags- und Berufsleben sowie der geänderten Gesetzeslage
und Rechtsprechung (siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts) zur Verfas-
sungsmäßigkeit der Homo-Ehe zurückgegangen ist.
Eine repräsentative Umfrage im Rahmen des jährlichen „Thüringen-Monitors“ der
Friedrich-Schiller-Universität Jena brachte 2013 folgende Ergebnisse:
Der Aussage, homosexuelle Beziehungen seien unnatürlich, stimmten 29 % der
Befragten zu, wobei die Spanne von 14 % bei den 18- bis 24-Jährigen bis 41 % bei
den Über-60-Jährigen reichte.
Männer äußerten sich homophober als Frauen und religiöse Personen homophober
als Nichtreligiöse.
Homophobie unter Jugendlichen
Zur Frage, inwiefern Homophobie unter Jugendlichen verbreitet ist, liegen
unterschiedliche Studien vor, die zu unterschiedlichen Bewertungen der Tendenz
zum Rückgang/Ausbreitung von Homophobie unter Jugendlichen gelangen.
In der Jugendsprache findet sich das Wort schwul dagegen immer noch
beziehungsweise wieder als Schimpfwort, das als Synonym für langweilig,
enervierend oder gar schlecht benutzt wird. Schwuchtel ist in der Jugendsprache
ein oft verwendetes Schimpfwort.
Gesondert zu betrachten ist die Verbreitung von Homophobie unter Jugendlichen,
deren Ursachen unterschiedlich begründet werden. Eine repräsentative mündliche
Befragung des Marktforschungsinstituts iconkids & youth bei 669 12- bis 17-
jährigen Jugendlichen im Jahr 2002 ergab:
„61 % der deutschen Jugendlichen haben gegenüber ‚Schwulen‘ und ‚Lesben‘ eine
negative Einstellung, finden sie ‚nicht‘ oder ‚überhaupt nicht gut‘. […] Dabei
wurden die Jugendlichen mit einer 5stufigen Skala danach befragt, wie gut sie
verschiedene Szenen und gesellschaftliche Gruppierungen finden.
Die Befragung zeigte auch: Mädchen sind toleranter als Jungen. Während 71 %
der Jungs offen ihre negative Einstellung zu ‚Schwulen‘ bekannten, äußerten
lediglich 51 % der Mädchen Vorbehalte gegen Homosexuelle.“
Laut der oben erwähnten Studie von iconkids & youth wuchs die Ablehnung von
Homosexuellen unter Jugendlichen in den letzten Jahren.
In einer globalen Umfrage mit 3050 Jugendlichen, die im Jahr 2006 im Auftrag des
BBC World Service durchgeführt wurde, verneinten 47 % der 15- bis 17-Jährigen
die Frage: „Meinst du, Homosexuelle sollten dieselben Rechte haben wie
Heterosexuelle?“ (“Do you think homosexuals should have the same rights as
heterosexuals?”). 39 % bejahten diese Frage, 13 % hatten keine Meinung, 1 %
wollte nicht antworten.
Befragt wurden 15- bis 17-jährige Jugendliche in zehn „Schlüsselstädten“ (New
York, Nairobi, Kairo, Lagos, Rio, Bagdad, Delhi, Jakarta, Moskau, London; die
Frage zur Homosexualität wurde jedoch in Kairo und in Bagdad nicht gestellt).
Die Jugendlichen verschiedener Städte unterschieden sich hinsichtlich der
Zustimmung zu einer Gleichberechtigung von homosexuellen Bürgern (z. B. sind
74 % der Jugendlichen in Rio für eine Gleichberechtigung, 67 % in New York, 43
% in Moskau, 36 % in London, 8 % in Nairobi).
Sozialwissenschaftler weisen darauf hin, dass Einstellungen zur sexuellen
Orientierung in Großstädten liberaler sind als auf dem Land.