Wie stark erwärmt sich unser Klima wirklich? NASA-Forscher
belegen, dass der Temperaturanstieg seit 15 Jahren eine Pause
macht. Gleichzeitig gibt es Indizien dafür, dass sich das Problem
verlagert: Die Umwelt könnte sich vorläufig an ganz anderer Stelle
erhitzen.
Blumen blühen früher, die Meerespegel steigen - kein Zweifel, das Klima hat
sich verändert. Das letzte Jahr, so berichtet die Nasa, war das neuntwärmste
seit Beginn der Messungen vor 132 Jahren. Das vergangene Jahrzehnt war
sogar das wärmste in dieser Zeitspanne; der langfristige Trend zeigt also nach
oben.
Doch längst hat sich herumgesprochen, dass sich das Klima zuletzt anders
entwickelt hat als vorhergesagt: Seit 15 Jahren stockt die Erwärmung, der
Aufwärtstrend der globalen Durchschnittstemperatur hat sich seit 1998 nicht
fortgesetzt. "Der Stillstand hat zu der Annahme geführt, die globale Erwärmung
habe aufgehört", räumt die Nasa ein.
Das britische Met Office prognostiziert sogar neuerdings, dass sich die
Temperaturpause auf hohem Niveau bis Ende 2017 fortsetzen könnte - trotz
des rapide zunehmenden Ausstoßes von Treibhausgasen. Dann hätte die
globale Erwärmung 20 Jahre pausiert. Wie viele Jahre, so lautet eine mittler-
weile häufig gestellte Frage, müsste die Temperatur denn noch stocken, bis
Klimaforscher ihre Prognosen einer künftigen Erwärmung überdenken?
Der Klimarat tagt
Bislang meinten Wissenschaftler, vierzehn Jahre ohne weitere Erwärmung
seien mit ihren Prognosen in Einklang zu bringen - nicht aber "15 Jahre oder
mehr", wie Nasa-Forscher vor vier Jahren im Fachmagazin "Bulletin of the
American Meteorological Society" konstatierten.
Ein renommierter Wissenschaftler schrieb am 7. Mai 2009 in einer E-Mail an
Kollegen, als die Erwärmungspause bereits elf Jahre gedauert hatte: "Der
Nicht-Aufwärtstrend [der Temperaturen] müsste 15 Jahre dauern, bis wir uns
Sorgen [um unsere Ergebnisse] machen müssten".
15 Jahre ohne Erwärmung der bodennahen Luft sind nun vorbei. Der Stillstand
der Durchschnittstemperatur zeigt, dass die Unsicherheiten der Klimaprog-
nosen überraschend groß sind. (...)  Die Forscher erörtern mehrere triftige
Ursachen, die den Aufwärtstrend der Temperaturen vorläufig gebremst haben
könnten.”
Mögliche Ursachen dafür könnten sein:  
Trockene Stratosphäre
Eine Ursache für das Stocken der Erwärmung liege im Obergeschoss der
Atmosphäre, berichten Forscher um Susan Solomon vom Earth System
Research Laboratory in Boulder, USA. Seit dem Jahr 2000 ist die Stratosphäre
deutlich trockener geworden. Das Wasser in der Höhe wärmt den Boden
indirekt: Die Tropfen strahlen Wärme ab. Durch die unerwartete Trockenheit sei
die Temperatur in Bodennähe um ein Viertel langsamer gestiegen.
Erklären ließe sich der Feuchtigkeitsverlust in der Höhe womöglich damit, dass
in den Tropen weniger Gewitter aufgezogen seien, spekulieren die Forscher.
Die Wolkentürme wirken als Wasserspender für die Stratosphäre.
Klimamodelle sagen langfristig voraus, dass sich mehr Wasser in der Höhe
sammelt: Der zunehmende Treibhauseffekt, so lautet die Kalkulation, lasse
mehr Wasser verdunsten. Allerdings stellten Klimamodelle stratosphärischen
Wasserdampf "nicht gut dar", räumt Marotzke ein. Die Prognosen bleiben also
vage.
     
      Abgase in Asien
Einen Bremser der Erwärmung vermuten Klimaforscher in Asien:
Schwefelhaltige Abgase der aufstrebenden Industrieländer China und Indien
wirken als Sonnenschirm, sie dimmen das Licht. Um ein Zehntel Watt pro
Quadratmeter bremse die Schwefelglocke die Erwärmung, haben Susan
Solomon und ihre Kollegen berechnet. Damit würde die CO2-getriebene
Erwärmung zu einem Drittel abgeschwächt. Klimamodelle hätten den
Abgaseffekt aus Asien unterschätzt. Würde die Luft sauberer, würde sich
demnach die Klimaerwärmung beschleunigen.
 
     Kaltwasserflut im Pazifik
Alle paar Jahre taucht im Pazifik eine Flut kühlen Wassers an die Oberfläche.
Auffrischende Passatwinde treiben es von Osten nach Westen. Das
sogenannte La-Niña-Wetter kühlt den halben Globus. Seit 1998 sind drei La
Niñas aufgezogen, sie haben die Erwärmung zweifellos gebremst: Jahre mit La
Niña sind für die größten Ausschläge der Globaltemperatur nach unten
verantwortlich.
Als Anzeichen einer fortschreitenden Erwärmung deuten Meteorologen, dass
2011 und 2012 die wärmsten La-Niña-Jahre seit Beginn der Messungen waren.
Der Einfluss von La Niña sei seit 1998 besonders hoch gewesen, sagt Norman
Loeb.
Die ozeanische Kühlung habe sich besonders stark ausgewirkt, weil ihr warmer
Gegenspieler - El Niño - in dieser Zeit schwächer ausgefallen sei; 1998 aber
besonders warm gewesen sei. Würde La Niña aus den Daten herausgerechnet,
zeigte der Temperaturtrend auch in den letzten Jahren nach oben, berichtet die
Nasa.
Unterm Strich jedoch bleiben diverse bedenkliche Anzeichen der Erwärmung:
Die Meeresspiegel steigen, das sommerliche Meereeis in der Arktis hat sich
halbiert, Gletscher schmelzen. Mancherorts gibt es Anzeichen dafür, dass
extreme Wetterereignisse zunehmen. "Es gibt viele Anzeichen der globalen
Erwärmung", betont Kevon Trenberth, "die bodennahe Lufttemperatur ist nur
eines."
Doch immer wieder überraschen neue Daten: In Kürze erscheint eine Studie,
die zeigt, dass Rußpartikel aus ungefilterten Dieselabgasen und offenen
Feuern doppelt so stark zur Erwärmung beitragen wie angenommen. Weil der
Rußausstoß in Entwicklungsländern seit langem steigt, müsste sich der Effekt
bereits bemerkbar gemacht haben. Doch es gibt auch positive Überraschun-
gen: Zuletzt zeigten Computersimulationen, dass die Erwärmung tropische
Wirbelstürme seltener gemacht hat. Die stärksten Hurrikane könnten
gleichwohl an Wucht gewinnen.
18.1.2013
Quelle und gesamter Artikel: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/stillstand-der-temperatur-
erklaerungen-fuer-pause-der-klimaerwaermung-a-877941.html