Johannes vom Kreuz ist keine Hineinschlüpffigur, mit der wir uns
identifizieren könnten im Sinne von: ja, das kenne ich auch, diesen
Trübsinn, habe ich auch erlebt, diesen Zustand innerer Trockenheit und
seelischer Flaute, ich weiß, was eisige Leere und einsame Nächte sind.
Die Dunkelerfahrungen großer Mystiker sind uns fremd, wie sich uns
ja auch das Ausmaß ihrer Gottinnigkeit entzieht. Wer wie sie im Lichte
Gottes gestanden hat, erlebt das Dunkel der Gottverlassenheit in einer
anderen Dimension: ein höllischer Trennungsschmerz, der nur mit den
Qualen Hiobs in der Asche und dem Schrei Jesu am Kreuz vergleichbar
ist.
Wer mit dem Himmel vermählt ist, schreibt andere Klagebücher und
singt andere Lieder, andere "geistliche Gesänge": Johannes vom Kreuz
verfasste sie im Kerker von Toledo. Auch sie bleiben dem Anfänger
geistlichen Lebens fremd. Es wäre nicht ehrlich, sie nachzusingen. Unser
gläubig–ungläubiges Leben gart auf kleinerer Flamme.
Wer könnte sich mit den Worten der von Gott "Um"-Geformten
schmücken, die dem Licht und dem Dunkel eine Sprache gegeben haben?
Unsere geistliche Heimat ist in der Regel weder das mystische Licht noch
das mystische Dunkel. Deshalb kennt unsere gläubige Lebensspannung
weder dieses Ausmaß himmlischen Beziehungsglücks noch die höllischen
Leiden dieser Gottverbundenen in Zeiten grauenhafter Einsamkeit ohne
Gott. – Wir würden anders leben – anders sein.
Gott stellt seine Auserwählten ins Dunkel
Der ausbalancierte und gut situierte Bürger hat seine seelischen Dürre-
perioden, seine depressiven Schübe, sein "Down -Syndrom", seine
psychischen Krisen und Beziehungskonflikte. Vielleicht erlebt er eine
Enttäuschung nach der anderen oder taumelt von Unglück zu Unglück.
Die metaphysische Isolation, die Gott seinen Auserwählten zumutet, ist
anders. Er selbst stellt seine "Gerechten" ins Dunkel, schickt sie in die
"Wüste" und setzt ihren Glauben wie schon bei Abraham extremen
Zerreißproben aus.
Es sind gerade nicht die Leiden der lauen Christen in Zeiten innerer
Verödung, oberflächlichen Dahinlebens und mangelnder Tiefe, – also
nicht Signale lascher Frömmigkeit und nachlassender religiöser Praxis,
kein vorübergehender seelischer Stau, den man mit etwas mehr
Gebetskultur wieder auflösen könnte.
Gott stellt die spirituell Fortgeschrittenen auf ihrem geistlichen Wege.
Je größer das Dunkel umso heller das Licht
Diese Wege Gottes ins Dunkel sind eine letzte Phase der Läuterung, die
für die Schau des göttlichen Lichtes bereitmachen soll. Was Johannes
vom Kreuz u. a. ( Theresia von Lisieux, Edith Stein ) erleben, ist "nichts
als Nacht", das "reine Nichts ", das totale Dunkel einer Nacht der Sinne,
des Geistes und des Glaubens: alles, was inneren Halt geben könnte, ist
weg gebrochen, einem letzten Brennprozess der "Vernichtung" unter-
worfen und "gestorben", – auch jede Gottesvorstellung !
Leer für die Fülle Gottes!
Nichts für erlebnishungrige Fromme oder religiös Erfahrungssüchtige,
aber auch nichts für Philosophen, die in Gott ein Produkt menschlicher
Wunschphantasien sehen.
Schon Hiob erklärte seinen Freunden mit ihren traditionellen Glaubens-
vorstellungen und Ratschlägen: Gott ist anders, ist ein anderer, "bisher
kannte ich ihn nur vom Hörensagen".
Der Sturz ins Glaubensdunkel wird denen zugemutet, die ein intensives
geistliches Leben führen, - "Fortgeschrittenen" auf dem geistlichen Wege,
die einer letzten "Umformung" in Gott bedürfen (Transformatión en
Dios). Sie erleiden die "Erfahrung der Nichterfahrbarkeit Gottes".
Theresia von Lisieux schreibt:
"Man muss durch den finsteren Tunnel gewandert sein, um zu wissen,
wie dunkel er ist,...wie schwarz die Nacht meiner Seele ist," – und:
"Wenn Sie wüssten, in welche Finsternis ich versunken bin! Ich glaube
nicht an das ewige Leben:"
Eine heilige Kirchenlehrerin !
"Was bedeutet es denn, schöne Sachen über das Leiden geschrieben zu
haben! Nichts! Nichts! Man muss mitten drin stecken, um zu wissen, was
solche Ergüsse wert sind."
Die Reise aus der Nacht der Seele in einen neuen Tag liegt nicht in
unserer Hand. Die großen Erfahrenen bezeugen jedoch: Gott stellt ins
Dunkel, aber er holt auch wieder ans Licht. Die Stunde der Finsternis, die
Zeit der Nacht ist begrenzt. Drei Tage – sagt die Schrift – lässt der Herr
seine Auserwählten "im Tode". Dann holt er sie wieder ins "Land der
Lebenden"
Quelle: http://kirchensite.de/index.php?myELEMENT=79802