Nach dem Anschlag des 11. September 2001 hatte der Kongress der Regierung
Bush weitreichende Befugnisse bei der Verfolgung der für die Anschläge Verant-
wortlichen eingeräumt.  Die größten Kriegstreiber in der  damaligen US-Regierung
waren dabei ohne Zweifel der damalige Vizepräsident Dick Cheney und der
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.
Gemäß Enthüllungsautor Jeremy Scahill („Schmutzige Kriege -  Amerikas
geheime Kommandoaktionen“) waren diese bereits damals intensiv mit den
Planungen für die nächste Invasion beschäftigt, nämlich derjenigen im Irak.
Schon bei ihrem Amtsantritt hatten die beiden den Plan Saddam Hussein zu
stürzen - und sie nutzten den 11.9. als Vorwand, um ihr Vorhaben voranzutreiben.
Doch das war nicht alles. Die beiden Neokonservativen wollten auch die Art
der Kriegsführung der Vereinigten Staaten verändern und zugleich dem
Weißen Haus eine nie dagewesene Macht verschaffen.
Scahill schreibt dazu: “Die Zeiten, in denen man gegen uniformierte Feinde und
staatliche Armeen gemäß den Regeln der Genfer Konvention kämpfte, waren
vorbei. “Die Welt ist ein Schlachtfeld” lautete das Mantra, das die Neokonserva-
tiven im nationalen Sicherheitsapparat unablässig wiederholten und das in den
Power Point-Präsentationen zu lesen war, mit denen die Pläne für einen exten-
siven, grenzenlosen weltweiten Krieg gegen den Terror vorgestellt wurden. Aber
Terroristen waren nicht das einzige Ziel. Im Visier hatten sie vielmehr das 200
Jahre alte demokratische System der Gewaltenteilung.” (S.20*)
Die Geschichte der verdeckten Operationen in den 1950er- und 1960er Jahren
hatte dazu geführt, dass 1976 das Dekret 11905 erlassen wurde, das den USA
ausdrücklich die Durchführung “politischer Attentate” untersagte.  Die CIA-
Beamten, die zu jener Zeit am Anfang ihrer Karriere standen und in den 1990er
Jahren wichtige Posten einnahmen, hatten somit “verinnerlicht”, dass verdeckte
Aktionen riskant sind und wahrscheinlich ins Auge gehen.
Unter Präsident Jimmy Carter wurde das von Präsident Ford erlassene
Verbot gezielter Tötungen insofern ausgeweitet, dass es nunmehr auch Ver-
bündeten und Dienstleistern, die im Auftrag der USA tätig waren, untersagt
war, sich an solchen illegalen Tötungen zu beteiligen: “Niemand, der in Diens-
ten der Regierung der Vereinigten Staaten steht oder in deren Namen handelt, darf
sich an einer gezielten Tötung oder an Planungen hierzu beteiligen“, hieß es in
Präsident Carters Dekret.
Die Präsidenten Reagan und Georg.H.W.Bush hielten zwar an dieser Sprach-
regelung fest, aber in keinem Präsidentendekret wurde jemals definiert, was unter
einer gezielten Tötung  eigentlich zu verstehen sei.
Reagan, Bush und Clinton wussten sich bei der Umgehung des Verbots zu
helfen. Reagan zum Beispiel genehmigte 1986 einen Luftangriff auf das Haus des
libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi als Vergeltung für dessen angebliche
Mitwirkung bei einem Bombenanschlag auf einen Berliner Nachtclub. Präsident
Bush sen. wiederum autorisierte während des Golfkriegs 191 Angriffe auf die Pa-
läste von Saddam Hussein,ebenso Clinton 1998 während der Operation Desert
Fox. (S.22*)
Nun, nach den schockierenden Terroranschlägen am 11.9.2001 sollte alles
anders werden.  Ein Hauptgrund war, dass mit Georg Bush jun. die soge-
nannten Neokonservativen an die Macht kamen – extremistische „Wirr-
köpfe“, wie sie von vielen in der CIA betrachtet wurden.
Scahill schreibt dazu folgendes: „Rumsfeld und Cheney hatten den Regierungs-
apparat mit führenden Neokonservativen besetzt, die während der Ära Clinton
praktisch eine  Schattenregierung betrieben hatten – in rechtsgerichteten Denk-
fabriken und als Mitarbeiter großer Vertragsunternehmen für Militär und Geheim-
dienste, wo sie ihre Rückkehr zur Macht planten.
Zu ihnen gehörten Paul Wolfowitz, Douglas Feith, David Addington, Stephen
Cambone, Lews „Scooter“ Libby, John Bolton und Elliott Abrams. Viele von
ihnen hatten ihre erste Erfahrungen im Weißen Haus unter Reagan und Bush sen.
gesammelt. Bei einigen wie Cheney und Rumsfeld reichten die Anfänge ihrer poli-
tischen Karriere bis in die Ära Nixon zurück.
Mehrere spielten Schlüsselrollen bei der Entwicklung politischer Zielsetzungen,
die die ultra-nationalistische Denkfabrik „Project fort he New American
Century“ (Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert; PNAC) betrieb.
Obwohl Clinton in Juguslawien und im Irak militärische Mittel einsetzte und in
einigen anderen Ländern Luftangriffe ausführen ließ, betrachteten die Neokonser-
vativen die Regierung Clinton als nahezu pazifistisch, wodurch die Vorherrschaft
der USA geschwächt und das Land angreifbar geworden sei. Ihrer Ansicht nach sei
in den 1990er Jahren „die Verteidigung vernachlässigt“ worden.
Die Neokonservativen hatten schon lange die Haltung vertreten, dass seit
dem Ende des Kalten Krieges die USA als einzig verbliebene Supermacht
weltweit ihr Gewicht aggressiv zur Geltung bringen, die politischen Land-
karten neu zeichnen und ihr Imperiumn erweitern sollten. 
Im Zentrum ihrer Vorstellungen stand die radikale Erhöhung des amerikanischen
Militäretats. Dies hatten Cheney und sein Gefolge bereits 1992, während seiner
Amtszeit als Verteidigungsminister, ins Auge gefasst.
Cheneys damaliger Entwurf, betitelt mit „Defense Planning Guidance“ (Richtli-
nien zur Verteidigungsplanung), war, wie die Neokonservativen im Gründungs-
okument der PNAC erklärten, „ein Leitfaden zur Sicherung der Hegemonie 
der USA und zur Verhinderung des Aufstiegs einer großen rivalisierenden
Macht, der die internationale Sicherheitsordnung mit amerikanischen Prin-
zipien und Interessen in Einklang bringt.
Wolfowitz und Libby waren die eigentlichen Urheber von Cheneys Verteidi-
gungsmanifest, in dem gefordert wurde, die USA müssten die einzige Supermacht
bleiben und alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um „potenzielle Konkurren-
ten“ davon abzuschrecken, „eine größere regionale oder globale Rolle auch nur
anzustreben.“
Aber ihr Plan wurde von mächtigeren Figuren in der ersten Bush-Regierung
verworfen, allen voran der Vorsitzende des Generalstabs, General Collin Powell,
Außenminister James Baker und der nationale Sicherheitsberater Brent Scow-
croft. Der abschließende Entwurf wurde, sehr zur Enttäuschung von Cheney und
den Neokonservativen, in seinem imperialistischen Ton deutlich entschärft.
Ein Jahrzehnt später, aber noch vor dem 11. September, fischten jedoch die
Neokonservativen – die jetzt dank der Regierung Bush jun. erneut an der Macht
waren – diese Pläne aus dem Mülleimer der Geschichte und machten sich an ihre
Umsetzung. Im Mittelpunkt stand dabei die Ausweitung der Militärmacht und die
Aufstellung schlagkräftiger Elite-Spezialeinheiten. „Im kommenden Jahrhundert
müssen unsere Streitkräfte wendig, todbringend und jederzeit einsatzbereit sein
und mit einem Minimum an logistischer Unterstützung auszukommen verste-
hen,“ hatte Georg W.Bush 1999 in einer Wahlkampfrede verkündet, die ihm
Wolfowitz und andere Neokonservative geschrieben hatten. „Wir müssen in der
Lage sein, unsere Macht über weite Entfernungen hinweg auszuüben, und eher
innerhalb von Tagen und Wochen als von Monaten. An Land müssen unsere
schweren Truppen leichter werden. Unsere leichteren Truppen müssen schlag-
kräftiger werdne. Alles muss einfacher zum Einsatz zu bringen sein.
Die Neokonservativen planten zudem, die amerikanische Dominanz über die
natürlichen Ressourcen weltweit noch stärker auszubeuten und dabei auch in
direkte Konfrontation mit jenen Staaten zu gehen, die sich dem in den Weg
stellen würden. 
Es gab Überlegungen, in verschiedenen Ländern einen Regimewechsel herbeizu-
führen, vor allem im ölreichen Irak. „Obwohl sie glühende Verfechter von Militär-
interventionen waren, hatten nur wenige Neokonservative in den Streitkräften
gedient. Und noch weniger waren je in ein öffentliches Amt gewählt worden“,
schrieb der Journalist Jim Lobe, der den Aufstieg der neokonservativen Bewegung
in dem Jahrzehnt vor dem 11. September nachzeichnete. Die Neokonservativen
„streben unablässig nach globaler militärischer Dominanz und verachten die Ver-
einten Nationen so abgrundtief wie den Multilateralismus im Allgemeinen.“ Lobe
fügte noch hinzu: „Nach Ansicht der Neokonservativen haben die Vereinigten
Staaten für immer und ewig die Macht in der Welt inne und zugleich die morali-
sche Verantwortung, diese Macht auszuüben. Sie meinen, ihre militärische Stärke
solle unüberbietbar sein und sie sollten sich global engagieren, aber niemals durch
multilaterale Verpflichtungen davon abhalten lassen, unilateral die eigenen Interes-
sen und Werte zu verfolgen. Außerdem sollten die USA ein strategisches Bündnis
mit Israel eingehen. Saddam Hussein müsse verschwinden, fordern sie, weil er wie
Saudi Arabien eine Bedrohung für Israel darstelle, Massenvernichtungswaffen hor-
te und auch schon eingesetzt habe.  (S.24ff.*)
Selbst altgediente außenpolitische Experten innerhalb der Republikanischen
Partei betrachteten Rumsfeld, Cheney und Konsorten als Extremisten.
„Als wir diese Leute zurückkehren sahen, stöhnten alle auf: „O Gott, die Wirr-
köpfe sind wieder da“  - „Wirrköpfe“, so bezeichneten wir diese Leute“, erklärte
Ray McGovern. Er war 27 Jahre lang in der CIA tätig gewesen, hatte für Bush
sen., als dieser Vizepräsident war, als nationaler Sicherheitsberater fungiert und
Ende der 1970er-Jahre, als Bush CIA-Direktor war, unter ihm gedient. Kaum wa-
ren die Neokonservativen an der Macht, so McGovern, hätten sie Ideen wiederbe-
lebt, die in früheren republikanischen Regierungen von erfahrenen republikani-
schen Außenministern versenkt worden waren. Doch er befürchtete, dass diese
extremistischen Vorstellungen bald schon „aus der Asche wiederauferstehen und
umgesetzt werden“.
Diese Leute seien der Ansicht, „weil wir großes Gewicht haben, sollen wir es auch
ausspielen. Wir sollen uns in kritischen Regionen wie dem Nahen Osten durch-
setzen“, so McGovern. (S.26ff.*)
Kurz zusammengefasst waren Cheney und Rumsfeld laut Scahill „jahrzehntelang
Schlüsselfiguren einer militanten Bewegung außerhalb der Regierung und wäh-
rend der Amtszeit republikanischer Präsidenten auch innerhalb des Weißen Hauses
gewesen. Ziel dieser Bewegung war es, die Exekutive mit einer beispiellosen
Macht auszustatten, damit geheime Kriege geführt, verdeckte Operationen jenseits
jeder Aufsicht organisiert und US-Bürger ausspioniert werden konnten. Ihrer
Ansicht nach hatte der Kongress kein Recht, solche Operationen zu kontrollieren,
sondern sollte nur für deren Finanzierung sorgen. Die Präsidentschaft stellten sie
sich als eine Diktatur der nationalen Sicherheit vor, rechenschaftspflichtig aus-
schließlich der eigenen Auffassung davon, was für das Land das Beste sei. (S.27*)
*) Jeremy Scahill, “Schmutzige Kriege - Amerikas geheime Kommando-
         aktionen”. 2013, Deutscher Taschenbuch Verlag
Die Neokonservativen
Wolfowitz, Rumsfeld
 und Bush jun.