Korrespondent und Asienexperte Matthias Naß hat sich in seinem Buch
“Countdown in Korea” auch mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Er verweist auf den Vorschlag Chinas einer “doppelten Aussetzung”: damit ist
gemeint, dass Nordkorea seine Atom- und Raketenversuche einstellen soll. Im
Gegenzug sollen Amerikaner und Südkoreaner auf ihre jährlichen Großmanöver
verzichten, die für den Norden nichts anderes sind als eine Vorbereitung zur
Invasion und zum Regimewechsel.
Für die Amerikaner war dieser Vorschlag jedoch bisher inakzeptabel. Die aggres-
sive Aufrüstung des Nordens und die legitime Verteidigung dagegen ließen sich
ihrer Meinung nach nicht gleichsetzen.
China in seiner selbst gewählten Rolle als Vermittler aber sieht darin die einzig
realistische Chance, die Kontrahenten wieder an den Verhandlungstisch zu
bringen.
Danach, erklärte Außenminister Wang Yi am 8. März 2017, könnten zweigleisige
Gespräche beginnen, bei denen es zum einen um die Entnuklearisierung der
Halbinsel gehen solle, zum anderen um einen langfristigen “Friedensmechanis-
mus”. Beides müsse miteinander “synchronisiert” werden, nur dann gebe es
Hoffnung auf Frieden und Stabilität. (S.50ff.*)
Tatsächlich ist ein Hauptgrund für die nordkoreanische Aufrüstung, weil sich das
Regime von den USA bedroht fühlt. Nur der Besitz einer Atombombe könne ver-
hindern, dass Kim Jong-un das Schicksal von Gaddafi oder Saddam Hussein
erleide, so die Ansicht des nordkoreanischen Diktators ... 
Kim Jong-un hatte übrigens den USA im  Januar 2015 das Ende seiner
Atomwaffentests angeboten. Als Bedingung nannte er den Verzicht der USA auf
gemeinsame Militärmanöver mit Südkorea. Doch bis jetzt ist die US-Regierung
auf dieses An-gebot nicht eingegangen ... (im übrigen ist kaum anzunehmen, dass
Kim Jong-un die USA angreifen wird - denn er weiß selbst ganz genau, dass das
“Selbstmord”  wäre ...)
Und wie soll man mit den schrecklichen Menschenrechtsverletzungen in
Nordkorea umgehen?  Warum hat die Weltgemeinschaft bis jetzt nicht mehr
dagegen getan?
Eine Antwort gibt Moon Chung-in, Politikwissenschaftler an der Yonsei-
Universität in Seoul und einst ein Mitstreiter des südkoreanischen Ex-Präsidenten
Kim Dae Jung, bei dessen “Sonnenscheinpolitik” gegenüber Nordkorea: “Kim
Dae Jung habe dem Erhalt des Friedens den Kampf um die Menschenrechte unter-
geordnet, sagt Moon. Bis heute glaubt er, dass diese Politik richtig war: “Es ist
leicht, moralisierende Reden zu halten, aber eine Regierung muss klug handeln.”
Sie müsse an die Sicherheit auf der Halbinsel denken. “Die südkoreanischen Kon-
servativen, die nach Menschenrechten rufen, sind die besten Verbündeten des
nordkoreanischen Militärs.”
Was wäre denn eine kluge Politik gegenüber dem Norden? Sie müsste die richti-
gen Schritte in der richtigen Reihenfolge tun, antwortet Professor Moon, und sich
einsetzen für Wirtschaftsreformen, die Entwicklung des Marktes und das Entste-
hen einer Zivilgesellschaft als Treibkraft für politischen Wandel. (S.108ff.*)
Die Einhaltung der Menschenrechte sollte natürlich gefordert und positive Ver-
änderung in dieser Hinsicht gewürdigt werden. Aber es ist wohl kaum hilfreich,
dem nordkoreanischen Regime mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu
drohen...
7.12.2017
   *) Matthias Naß, “Countdown in Korea - Der gefährlichste Konfikt der Welt
            und seine Hintergründe”, 2017, Verlag C.H.Beck oHG