Trade in Services Agreement (TISA)
Das Trade in Services Agreement (TiSA; deutsch Abkommen über den Handel
mit Dienstleistungen) ist eine sich in Verhandlung befindliche Sammlung von
Vereinbarungen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen 23 Parteien
einschließlich der USA und der Europäischen Union.
Das TiSA-Abkommen soll weltweit Dienstleistungen liberalisieren und
stärkerem Wettbewerb aussetzen. Die 23 Welthandelsstaaten, die sich „wirklich
guten Freunde des Handels mit Dienstleistungen“ nennen, betreiben 70 % der
globalen Dienstleistungen, darunter Branchen wie Verkehr, Finanzen, Bildung
oder Gesundheit. Allein „die USA […] erhoffen sich […] von Tisa eine Steigerung
ihrer Exporte von Dienstleistungen um 600 Milliarden Euro.“
Das Trade in Services Agreement ist ein Nachfolgeabkommen des General
Agreement on Trade in Services der WTO, kurz GATS. Dieses wurde 1995
beschlossen.
Ursprünglich war das Abkommen ein Vorschlag der USA. Die Verhandlungen
über die verschiedenen Vertragsbedingungen laufen seit Anfang 2012. Die
Sitzungen finden meist in Genf statt.
Seitdem haben verschiedene Verhandlungstreffen unter Ausschluss der Öffent-
lichkeit stattgefunden. Diese fanden außerhalb von üblichen Orten – wie WTO-
Einrichtungen – statt, etwa in der australischen Botschaft. Die Teilnehmer wollen,
wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, „die Verhandlungspapiere frühestens fünf
Jahre nach Abschluss des Vertrags an die Öffentlichkeit lassen“.
Am 19. Juni 2014 veröffentlichte die Enthüllungsplattform Wikileaks einen
bisher geheim gehaltenen Vertragsentwurf zu TiSA aus dem Kapitel zu Finanz-
dienstleistungen auf ihrer Website. Bis dahin verliefen TiSA-Verhandlungen
beinahe vollständig ohne öffentliche Aufmerksamkeit. Die Wikileaks-Veröffent-
lichung zeigte erstmals die von den Parteien vereinbarte Bestimmung zur Vertrau-
lichkeit des Verhandlungsverfahrens auf: Die Geheimhaltung endet fünf Jahre
nach Inkrafttreten oder – falls TiSA nicht in Kraft treten sollte – fünf Jahre nach
Ende der Verhandlungen. Nur die Schweiz hat alle seit Juni 2012 eingegebenen
Verhandlungspositionen veröffentlicht.
Am 17. Dezember 2014 veröffentlichte Netzpolitik.org in journalistischer
Partner-schaft mit der Nichtregierungsorganisation Associated Whistle-
blowing Press und ihrer lokalen spanischen Plattform filtrala.org den
Verhandlungsstand. Diese Dokumente zeigten, dass die von TiSA betroffenen
Dienstleistungen noch weit über das hinausgehen, was bisher angenommen wurde
und aus den Wikileaks-Veröffentlichungen hervorging.
Für TiSA gehört zu freiem Wettbewerb auch freier Datenfluss; den enthüllten
Vorschlägen nach soll generell kein Land eine Firma daran hindern können,
Informationen aller Art außer Landes zu schaffen. Die Daten von Kommuni-
kationsanbietern sollen ungehindert zwischen Ländern ausgetauscht werden
können, so heißt es: Kein Unterzeichner darf einen Diensteanbieter eines
anderen Unterzeichners daran hindern, Informationen zu übertragen, auf sie
zuzugreifen, sie zu verarbeiten oder zu speichern. Das schließt persönliche
Daten mit ein, wenn der Vorgang in Zusammenhang mit der Ausführung der
Geschäfte des Diensteanbieters steht.
Mitte 2016 ist TiSA „fast ausverhandelt“; die USA würden den Vertrag „am
liebsten […] noch unter Präsident Obama abschließen.“
Die beiden Hauptstreitpunkte zwischen USA & EU sind noch:
die Meistbegünstigungsbehandlung und
wie weit nationale Spielräume beschränkt werden sollen (wie weit z.B.
„Local-Content-Vorgaben“ untersagt werden sollen, die einen bestimmten
Anteil an inländischen Dienstleistungen vorschreiben – wie z.B. die USA,
die ihren Jones Act aus den 1920er-Jahren verteidigen, der den Seehandel
zwischen US-Häfen nur US-Schiffen erlaubt).
Für diese Liberalisierungen fordert die EU beispielsweise
von Kolumbien einen leichteren Zugang zum Fernsehmarkt,
von Israel eine Öffnung des Brieftransports
von Japan freien Zugang zu Flughafen-Dienstleistungen.
Vor der 20. TiSA-Verhandlungsrunde ab Montag 19. September 2016 (Genf)
veröffentlichte Wikileaks am 15. September 2016 die aktuellen TiSA-Papiere von
Juni/Juli 2016.
Ziele
Die Vereinbarungen dienen dem Ziel, „mehr Wettbewerb bei Dienstleistungen
aller Art“ durchzusetzen und Handelshemmnisse im Sektor „Dienstleistungen“
zu beseitigen – begleitet von bereits vom Anti-Produktpiraterie-Handelsab-
kommen (ACTA) und vom Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP)
bekannten und massiv kritisierten Geheimhaltungsvereinbarungen.
Ein taz-Journalist charakterisiert die Verhandlungsziele: „Öffentliche Dienst-
leistungen zur Gesundheits-, Wasser- und Energieversorgung, bei der Bildung, im
Finanzsektor sowie in allen anderen Bereichen sollen über das bereits in den
letzten 20 Jahren erreichte Ausmaß dereguliert und internationaler Konkurrenz
ausgesetzt werden.“
Demnach würde durch TiSA die Rückübernahme von privatisierten Energie-
und Wasserunternehmen (Rekommunalisierung) ausgeschlossen. 
Unternehmensvertreter verschiedener Dienstleistungsbereiche (Coalition of
Services Industries) nannten Regelungen und Subventionen von Staatsbetrieben
als Beispiele für Markteintrittsbarrieren. 
Nach den Verhandlungsplänen vom September 2014 z. B. wird der Gesundheits-
bereich als ein lukrativer Dienstleistungssektor eingeordnet. Es wird jedoch
von den Vertragsparteien bemängelt, dass es regulatorische und strukturelle Zu-
gangsbarrieren, etwa durch Gesundheitsleistungen vom Staat oder Wohlfahrts-
organisationen gebe.
Zum zentralen Ziel der Meistbegünstigung steht im TiSA-Vertragsentwurf:
„Jeder Staat soll Dienstleistungen und deren Anbieter nicht schlechter behandeln,
als er seine eigenen Dienstleistungen und deren Anbieter behandelt“.
Darüber hinaus sieht die Vereinbarung die Öffnung des Arbeitsmarktes für
ausländische Dienstleister vor. Diese sollen berechtigt sein, ausländische Leihar-
beiter beliebig für temporäre Einsätze in die einzelnen Unterzeichnerstaaten zu
entsenden. Inwieweit hierbei die arbeitsrechtlichen Standards der Einsatzländer,
insbesondere auch die tariflichen Gehälter, gewahrt bleiben müssen, ist fraglich.
Der Entwurfstext betont, dass jederzeit weitere Punkte einfließen werden. Nach
Vertragsunterzeichnung können neue Marktchancen für Unternehmen
eingerichtet werden – unter Umgehung einer demokratischen Einflussnahme
der Bevölkerung.
Geltungsbereich von TiSA
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Juristische Dienstleistungen durch Anwälte, Notare, etc.
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Technische Dienste wie Internetversorgung
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Elektronische Transaktionen
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Digitale Signaturen
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Buchhaltungs- und Auditierungsleistungen
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Steuerberatung
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Architekturleistungen
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Städtebauliche Leistungen
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Technische und wissenschaftliche Prüfungen
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Veterinärleistungen
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Bildungsleistungen
Verhandlungsparteien
TiSA wird verhandelt zwischen Australien, Chile, Costa Rica, der EU, Hongkong,
Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Liechtenstein, Mauritius, Mexiko,
Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Peru, der Schweiz, Südkorea, Taiwan,
der Türkei und den USA.
Kritik
Die Dienstleistungsgewerkschaft Public Services International (PSI) warnt vor
TiSA und sieht ein
„grundsätzliches Konfliktpotenzial zwischen öffentlichen Diensten und
Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Öffentliche Dienste sollen eine
grundlegende soziale Daseinsvorsorge leisten, die bezahlbar, universell verfügbar
und nicht gewinnorientiert ist. Öffentliche Dienste werden im Allgemeinen von
einem Regelwerk begleitet, das ihre Kommerzialisierung bewusst einschränkt und
dafür sorgt, grundlegende Dienstleistungen nicht als reine Handelsware anzusehen.
Handelsabkommen dagegen fördern gezielt die Kommerzialisierung.“
Rosa Pavanelli, Generalsekretärin der PSI, hält die vergleichsweise geringe
öffentliche Aufmerksamkeit für ein Problem. Dies mache es den Verhandlungs-
partnern leicht, im Geheimen zu agieren. Dabei bräuchte TiSA die gleiche Beach-
tung wie TTIP – oder eher: beide Abkommen bräuchten viel mehr Aufmerksam-
keit – um unter anderem den Ausverkauf und die Kommerzialisierung persönlicher
Daten zu verhindern.
Wir wissen jetzt, dass TiSA den Finanzsektor weiter deregulieren wird, die
Rücküberführung von gescheiterten Privatisierungen verhindern wird und
Datenschutzgesetze unterwandert. Was halten unsere Regierungen eigentlich
sonst noch vor uns geheim?
Nach Alliance Sud
„setzen sich die USA für die totale ‚Freiheit‘ der Dienstleistungen im Internet ein.
Würde dies im Tisa Eingang finden, wäre es fortan erlaubt, unbegrenzt persönliche
Daten zu sammeln und diese über Staatsgrenzen hinweg zu transferieren.“
Der EU-Parlamentarier Sven Giegold (MdEP Bündnis 90/Die Grünen) warnt, dass
die im Raum stehende Forderung, „jedes TiSA-Mitglied solle Finanzkonzernen
erlauben, Informationen frei aus seinem Gebiet zu transferieren“, ein „Angriff auf
den europäischen Datenschutz“ sei. Zudem könnte TiSA dazu führen, dass eine
Kontrolle der Finanzmärkte kaum noch möglich sei.
Laut Alexander Hagelüken von der SZ wollen die USA TiSA dazu nutzen,
Beschränkungen für „Daten“ abzuschaffen, die in anderen Ländern gespeichert
oder verarbeitet werden. Des Weiteren versprechen sie sich durch das Abkommen
eine Steigerung ihrer Exporte um 600 Milliarden Euro. Dazu bemerkte der EU-
Abgeordnete Michel Reimon:
„Die USA wollen mit dem Abkommen die europäischen Dienstleistungsmärkte für
US-Unternehmen erschließen. Zentral dabei ist: Die US-Regierung versucht Unter-
nehmen davon zu befreien, dass sie in den Ländern, in denen sie einen Dienstleist-
ung erbringen, auch einen Firmensitz haben müssen.
US-Internet-Konzerne bräuchten also keinerlei Niederlassung in der
Europäischen Union mehr – und würden damit auch nicht mehr EU-
Gesetzgebung unterliegen. In Verbindung mit dem Freihandelsabkommen TTIP
würden europäische UserInnen und KonsumentInnen in diesem Bereich voll-
ständig der amerikanischen Rechtslage unterworfen sein. In diesem Zusammen-
hang fordert die US-Regierung auch, dass US-Unternehmen ihre Datenbestände
ohne Einschränkungen und rechtliche Vorschriften in ihr Heimatland transferieren
dürfen. Die gesetzliche Regulierung zukünftiger Plattformen soll von der Zustim-
mung der TiSA-Vertragspartner abhängig gemacht werden. Und die zweite gefähr-
liche Stoßrichtung ist ein direkter Angriff auf die Netzneutralität, versteckt
hinter der Klausel, dass ‚reasonable network management‘ erlaubt sein muss.
Damit deckt sich die US-Position mit den Vorschlägen, die von der deutschen
Bundesregierung und dem deutschen ‚Digital-Kommissar‘ Oettinger bekannt sind,
was ihnen zusätzliches Gewicht verleiht.“
Die EU-Abgeordnete Julia Reda betonte, dass diese Abkommen primär „der
Durchsetzung der Interessen transnationaler Konzerne dienen“ und warnte
außerdem davor, dass im TiSA-Papier die Netzneutralität angegriffen wird. Denn
im Handelsvertrag ist die Rede von „angemessenen Maßnahmen zum
Netzwerkmanagement“, was eine „viel zu vage“ Formulierung sei.
Der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Kessler warnt in einem Gastbeitrag für
die Badische Zeitung im April 2015 vor allem vor der darin geplanten Umkehr
vom Prinzip einer Positivliste (alle betroffenen Bereiche müssen genannt werden)
zu dem einer Negativliste (alle Bereiche, die nicht genannt werden, sind betroffen)
sowie vor verschiedenen in den Verträgen geplanten Klauseln:
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Future-Proofing (Zukunftssicherheit): alle Dienstleistungen, die bei
Vertragsabschluss nicht auf der Negativliste stünden, müssten künftig
privaten Anbietern (auf internationaler Ebene) offenstehen;
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Ratchet (Sperrklinke): einmal vorgenommene Privatisierungen wären
unumkehrbar, eine Rekommunalisierung z. B. würde also unmöglich;
-
Stand-still (Stillstand): soziale, gesundheitliche oder ökologische Standards
und Vorschriften würden „eingefroren“: sie dürften nach Abschluss von
Tisa nicht mehr verschärft werden.
Darüber hinaus sieht er ebenfalls große Gefahren für den Datenschutz, weil die
betroffenen Länder nach den Artikeln drei und vier ausländischen Banken und
Versicherungen Zugang zum heimischen Markt gewähren müssten, dem ent-
sprechenden Export von Daten jedoch keine Riegel vorgeschoben wären.
     Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Trade_in_Services_Agreement)
                     dort gibt es weitere Quellenangaben (Stand: Okt.2016)