Nach dem gescheiterten Putsch:
Die Türkei im Ausnahmezustand
Weiterhin sind Zehntausende auf den Straßen: Während interna-
tional die Kritik am harten Vorgehen der türkischen Regierung nach
dem vereitelten Putschversuch der vergangenen Woche steigt, sind in
der Nacht auf Freitag erneut Zehntausende Unterstützer von Erdogan
auf die Straße gegangen.
Die Demonstranten folgten damit dem Aufruf des Staatschefs. „Mein
liebes Volk, gib nicht den heroischen Widerstand auf, den du für dein
Land, deine Heimat und deine Fahne gezeigt hast“, schrieb Erdogan am
Donnerstag in einer an sämtliche Handys des Landes versandten
Kurzmitteilung. In Istanbul marschierten Tausende vom Stadtteil
Kisikli über eine der Bosporus-Brücken auf die europäische Seite der
Stadt, wie AFP-Korrespondenten berichteten. Die Brücke musste am
Abend für den Verkehr gesperrt werden.
„Gedenktag für Märtyrer“ ausgerufen: „Kommende Generationen
werden die Helden des Kampfes für die Demokratie nie vergessen“,
sagte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu an seinem Amts-
sitz. Zugleich erklärte er den 15. Juli, an dem der Putschversuch in der
Türkei begann, zum „Gedenktag für Märtyrer“.
Die Zahl der Festnahmen seit dem gescheiterten Putsch in der
Türkei stieg nach Angaben Erdogans auf mehr als 10.000. 10.410
Verdächtige seien bei den andauernden Razzien festgenommen worden.
4.060 von ihnen seien in Untersuchungshaft genommen worden ...
22.7.: Eine Woche nach dem Putschversuch verschärfte die Regier-
ung außerdem die Ausreisekontrollen für türkische Staatsbürger.
Bei der Passkontrolle auf den internationalen Flughäfen des Landes
müssen ausreisende Staatsbürger nun einen Nachweis ihrer Tätigkeit
erbringen ...
Deutschland hat nun eine Warnung für Deutsch-Türken mit
doppelter Staatsbürgerschaft ausgesprochen ...
Die deutsche Bundesregierung stellt angesichts des Vorgehens der
türkischen Regierung nach dem gescheiterten Putschversuch neue EU-
Beitrittsverhandlungen in Frage ...
Die österr.Regierung sieht auch den EU-Flüchtlingsdeal in Gefahr ...
Alexandra Föderl-Schmid (Standard) plädiert außerdem dafür, die
Förderung AKP-naher Organisationen oder Veranstaltungen mit
Mitteln aus Steuergeldern sowie die “EU-Haranführungshilfe” zu
überprüfen: ”Wer universal geltende Rechte infrage stellt, hat kein
Anrecht auf staatliche Unterstützung. Das sollte auch auf EU-Ebene
gelten: Die Türkei hat von der EU die während Beitrittsverhandlungen
übliche sogenannte Heranführungshilfe erhalten. Zwischen 2007 und
2013 waren dies 4,8 Milliarden Euro. Diese Unterstützung sollte aus-
gesetzt werden, bis klar ist, für welchen Weg sich Erdogan entscheidet.
Die EU hat ein Eigeninteresse an einer stabilen Türkei, darf aber des-
halb von eigenen Wertemaßstäben nicht abrücken und wegen des
Flüchtlingspakts erpressbar erscheinen. Sonst haben nicht nur Erdogan-
Anhänger ein Glaubwürdigkeitsproblem ...
Irene Prickner (Standard) meint außerdem, türkischen Oppositionel-
len müsste in Europa Schutz gewährt werden ...  
23.7.2016