Bei ihrer Sitzung 18.8.2017 hat die verfassunggebende Versammlung
von Venezuela (ANC) ihre den anderen Staatsgewalten übergeord-
nete Stellung bekräftigt und beschlossen, Gesetzgebungsbefugnisse
des Parlaments in entscheidenden Belangen an sich zu ziehen.
Dies betreffe Kompetenzen zum Erlass von Gesetzen in Angelegenheiten, "die
unmittelbar darauf gerichtet sind, den Frieden, die Sicherheit, die Souveränität,
die Stabilität des sozio-ökonomischen und finanziellen Systems, die Ziele des
Staates sowie die Vorrangstellung der Rechte der Venezolaner zu garantieren",
heißt es in der Entscheidung.
Zuvor war das Parlament der formellen Einladung des ANC, das Zusammen-
wirken der Staatsgewalten zu regeln, erwartungsgemäß nicht gefolgt. Die 2015
in ihrer jetzigen Zusammensetzung gewählte Nationalversammlung erkennt
mehrheitlich den Verfassungskonvent nicht an.
Delcy Rodríguez, die Leiterin der Versammlung, erklärte, das Dekret erlaube es
dem Konvent, parlamentarische Akte in Form von Gesetzgebungen in diesen
Bereichen zu erlassen, wie es die Verfassung in Artikel 349 vorsehe. Sie
kritisierte die Weigerung der Leitung des Parlaments, der Einladung zu dieser
Sitzung des ANC zu folgen. Dem Parlament wurde nun die Einrichtung einer
Kommission vorgeschlagen, um "den nationalen Dialog zwischen beiden
Instanzen zu ermöglichen“. Dafür sollten fünf Abgeordnete ernannt werden.
Der Opposition nahe stehende Medien hatten nach dem Beschluss umgehend
vermeldet, die Nationalversammlung sei aufgelöst worden. Dem widersprach
Rodríguez: man bestehe im Gegenteil darauf, dass das Parlament arbeite,
seine Funktionen erfülle und den Verfassungskonvent anerkenne. 
Es gehe um ganz bestimmte Bereiche, die dem Parlament entzogen worden
seien und in denen die von der Opposition dominierte Nationalversammlung
gar nicht oder gegen die Interessen des Landes und der Bevölkerung gehan-
delt habe. "Sie kamen 2015 mit dem einzigen Interesse ins Parlament, die
Regierung von Nicolás Maduro zu stürzen und sie verabschiedeten kein einzi-
ges Gesetz, um den Bedürfnissen Venezuelas nachzukommen“, sagte die
frühere Außenministerin.
Anhänger und Parlamentsabgeordnete des Oppositionsbündnisses Tisch der
Demokratischen Einheit ließen über den Kurznachrichtendienst Twitter ver-
lauten, dass sie diese Entscheidung ebenso wenig anerkennen wie den Verfas-
sungskonvent selbst. Das Parlament berief für den heutigen Samstag um zehn
Uhr eine Sondersitzung ein, zu dem auch Vertreter des dipolomatischen Korps
eingeladen sind und bezeichnete das Dekret als "Putsch".
19.8.2017
Quelle und gesamter Artikel: https://amerika21.de/2017/08/183044/anc-parlament-venezuela