Seit Beginn des Jahres 2015 haben immer mehr verzweifelte Flüchtlinge aus
dem Nahen Osten (vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan), aber auch aus
Afrika, die äußerst gefährliche und strapaziöse Flucht über das Mittelmeer
gewagt, um in das sichere und wohlhabende Europa zu gelangen, siehe ...
Doch nun (September 2015) erreicht diese Flüchtlingswelle neue Dimensionen.
Warum? Was sind die Gründe für diese Massenflucht, die von einigen schon
als “Völkerwanderung” bezeichnet wird.
Hauptgrund ist der nun schon seit 4 Jahren dauernde Bürgerkrieg in
Syrien.
Dieser begann im März 2011 als Aufstand gegen das Regime von Präsident
Bashar al-Assad. Seitdem hat der Konflikt rund 220.000 Menschen das Leben
gekostet, Millionen sind auf der Flucht. Und ein Ende des Krieges ist noch
immer nicht in Sicht ....
Wie verzweifelt die Lage in dem verwüsteten Land ist, zeigt dieser Bericht der
UNO vom Februar 2015 ...
Zuletzt (Anfang August) hatten hunderte Christen aus der Provinz Homs die
Flucht vor den IS-Dschihadisten ergriffen ...
Hier eine (unvollständige) Chronologie zum syrischen Bürgerkrieg ...
sowie Luftaufnahmen, die das Ausmaß der Zerstörung zeigen ...
Syrien nimmt übrigens eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die IS-Dschiha-
disten ein, denn fällt Damaskus, wäre auch Europa bedroht ...
Das ist wohl auch der Hauptgrund, warum Russland den syrischen
Präsidenten Bashar al-Assad unterstützt, wie Putin unlängst bestätigt hat. Und
das soll auch teilweise mit den USA abgesprochen gewesen sein ...
Allerdings gibt es jetzt (10.9.) Unstimmigkeiten. Den USA passen die
Aktivitäten von Russland in Syrien anscheinend doch nicht ganz. Das NATO-
Mitgliedsland Bulgarien hat nun sogar laut Medienberichten seinen Luftraum
für russische Versorgungsflüge in das Bürgerkriegsland gesperrt ...!!?
16.9.: Putin hat die internationale Gemeinschaft erneut zum gemeinsamen
Kampf gegen den "Islamischen Staat" IS in Syrien aufgefordert. Und die USA
scheinen nun doch zu Gesprächen bereit ....
Es wäre jedenfalls sehr zu wünschen, dass in diesen nun schon 4 Jahre
dauernden blutigen Konflikt nicht nur die beiden Weltmächte USA und
Russland, sondern die gesamte Weltgemeinschaft (UNO-Sicherheitsrat), an
einem Strang ziehen.
Denn der syrische Bürgerkrieg ist nicht nur die Hauptursache für die kaum
noch zu bewältigenden Flüchtlingsströme nach Europa, er destabilisiert auch
den gesamten Nahen Osten !! Hier einige Kommentare dazu ...
Die Zahl der aus Syrien fliehenden Menschen könnte nach Einschätzung des
UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura noch einmal drastisch zunehmen.
Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bislang weitgehend vom Konflikt
verschont gebliebenen Mittelmeer-Küstenstadt Latakia ausweiten, sei mit bis
zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der Diplomat
gestern Abend vor Journalisten in Brüssel. Die meisten von ihnen würden
nach seiner Einschätzung versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach
Europa zu kommen. Zudem könne auch ein weiterer Vormarsch der Terrormiliz
Islamischer Staat (IS) die Fluchtbewegungen verstärken. „Die Tendenz ist
besorgniserregend“, warnte de Mistura ...
Und: letztlich bekämpft Assad auch die IS-Dschihadisten. Schon alleine
deshalb sollte er auch von den USA unterstützt werden!!!
Übrigens ist der syrische Präsident, verglichen mit Diktatoren wie Gaddafi oder
Saddam Hussein, ein relativ “moderner” und “humaner” Machthaber - und er
wäre wahrscheinlich, wenn er dabei vom Westen unterstützt wird - auch zu
Reformen bereit (mehr zu Bashar al Assad siehe unter “Horoskope” ....)
Im übrigen beteiligt sich die USA - die ja einer der Hauptverursacher für die
Konflikte im Nahen Osten sind (Irak-Krieg etc.) - kaum an der Aufnahme von
Flüchtlingen aus der Region !!!!
Obama hat sich zwar kürzlich bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel für
die Aufnahme von tausenden Flüchtlingen bedankt
, doch das ist
angesichts der dramatischen Lage viel zu wenig.
Denn: Deutschland und (das relativ kleine) Europa, werden den dauerhaften
Zuwachs nicht allein schultern können. Die Flucht der Syrer in die EU ist kein
deutsches Problem, wie es der ungarische Premier Viktor Orbán jüngst mit
zynischer Offenheit formulierte. Ihre Bewältigung ist längst Aufgabe und Her-
ausforderung für die vielbeschworene westliche Wertegemeinschaft, ja, das
transatlantische Verhältnis. Die Folgen des syrischen Dramas, der unterlas-
senen Hilfeleistung von vor vier Jahren können die USA nicht den anderen,
den Anrainerstaaten und auch nicht Europa überlassen ...
Und im übrigen ist der momentane, kaum noch zu bewältigende Flüchtlings-
strom auch auf das Versagen der UNO, genauer des UNO-Flüchtlingshoch-
kommissariat (UNHCR) zurückzuführen. Denn die Flüchtlingshilfe ist
systematisch unterfinanziert ...
Warum wird hier von der Weltgemeinschaft nicht mehr Geld zur Verfügung
gestellt ?? Wenn es um Banken-Rettungen geht, sind Milliarden kein Problem.
Wenn es jedoch um humanitäre Hilfe geht, fehlt das nötige Geld .... ??!!
Und noch etwas anderes ist nötig, um den Flüchtlingsstrom nach Europa
nachhaltig einzudämmen: es braucht keinen “ freien”, sondern einen “fairen
Markt” für Afrika, wie es der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller
richtig formulierte. Er fordert jetzt eine neue Partnerschaft zwischen Afrika
und Europa. Grundlage hierfür müsse eine internationale sozial-ökologische
Marktwirtschaft sein ...
Und wie geht es jetzt weiter ... ?
10.9.: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch
Europa auf-gerufen, die Flüchtlingskrise durch Aufnahmebereitschaft und
Solidarität zu lösen. In seiner Rede zur Lage der EU formulierte er sieben
Punkte, die eine fairere Verteilung und einen humaneren Umgang mit
Flüchtlingen gewährleisten sollen ...
Österreichs Verteidigungsminister Gerald Klug betont die Wichtigkeit der
Ursachenbekämpfung und eine engere Abstimmung zwischen internationaler
Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit.
Was die Zusammenarbeit innerhalb der EU betrifft, sieht Klug zwei Lösungs-
ansätze. Einerseits könnten besonders geforderte Einzelstaaten bilateral
unterstützt werden, etwa beim Betreiben von Flüchtlingslagern.
Andererseits sollen an den EU-Außengrenzen, etwa in Italien, Griechenland
und Ungarn, Erstaufnahmezentren errichtet und von der EU gemeinsam mit
dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und den betroffenen Staaten
betrieben werden ....
Außenminister Sebastian Kurz hält es außerdem für wichtig, in den Kampf
gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch den syrischen Machthaber
Bashar al-Assad einzubinden. Und auch Mächte wie der Iran und Russland
müssten einbezogen werden, so Kurz weiter. All jene, die gegen den IS
kämpfen, müssten nun zusammenarbeiten. Dazu gehörten in Syrien die
Opposition, die Zivilgesellschaft und unter anderen auch Assad, meinte der
Außenminister laut ORF. Denn in Bezug auf den IS stehe Assad auf derselben
Seite wie der Westen. Zudem sage eine solche Kooperation nichts über eine
langfristige Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien aus. Natürlich dürfe man die
Verbrechen Assads aber nicht vergessen, betonte Kurz (http://orf.at/stories/
2297674/2297718/)
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gemeinsam mit Österreichs
Bundeskanzler Werner Faymann so schnell und human auf die akute Krisen-
situation betreffend der zehntausenden Flüchtlingen in Ungarn reagiert hatte,
will nun die Asylverfahren beschleunigen und anerkannte Flüchtlinge so
schnell wie möglich integrieren. Dabei will sie besonders die Kinder und
Jugendlichen fördern. Bei einer “Mutmach-Tour” in Berlin sagte sie: "Es gibt
so viel Enthusiasmus bei den Kindern, so viel Bereitschaft zu lernen. Wir
wollen ihnen eine gute Zukunft geben." ....
Übrigens: Deutschland schrumpft und wird älter - könnte so gesehen also
tatsächlich von einer Zuwanderung profitieren, vorausgesetzt die Integration
der vorwiegend muslimischen Asylberechtigten gelingt ...
Für eine gelungene Integration müssten aber auch klare Regeln aufgestellt
werden, wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland fordert. Er plädiert für
eine Politik des "Förderns und Forderns". Wichtig sei vor allem ein schneller
Spracherwerb. Zudem müsse zügig den Flüchtlingen deutlich gemacht werden,
"wie unser Gemeinwesen aussieht". Ein Beitrag dazu könne sein, das
Grundgesetz auf arabisch zu übersetzen ...
Zum Schluss möchte ich auch noch kurz auf die Befürchtung eingehen, dass
sich IS-Terroristen unter den Flüchtlingen befinden könnten. Diese Gefahr
besteht natürlich - und sollte von den Behörden auch ernst genommen
werden. Und verdächtige junge Männer sollten auch dahingehend genau
beobachtet und bei Verdacht wieder abgeschoben werden.
Nachdem der IS jedoch selbst dieses Gerücht verbreitet hat, könnte es auch
sein, dass das nur ein “Bluff” ist, um in Europa die Angst und das Mißtrauen
zu schüren ...
Auch der deutsche Geheimdienst (BND) schätzt diese Gefahr eher gering ein.
Weitaus bedrohlicher seien die radikalisierten europäischen Islamisten und
dabei vor allem die “Rückkehrer” ....
Dieser Meinung ist auch Extremismusforscherin Claudia Dantschke ...
Eines ist jedenfalls sicher: der Großteil oder vielleicht sogar alle sind “echte
Flüchtlinge”, die vor den Gräuel der Dschihadisten und des Krieges fliehen.
Und diese haben ein Recht auf Asyl, Hilfe und eine menschenwürdige
Behandlung !!!
Ein junger Syrer hat übrigens seine Flucht per Video festgehalten hat ...
Weitere Porträts von Flüchtlingen ...
Die Welle der Hilfsbereitschaft, die Österreich und auch Deutschland
angesichts der Notlage der Flüchtlinge erfasst hat, ist übrigens überaus
beeindruckend und berührend. Ohne die zahlreichen freiwilligen Helfer und
Helferinnen wäre es kaum möglich, die tausenden Menschen zu versorgen, die
oft eine wochenlange Odyssee hinter sich haben ...
Auch in München ist der Zustrom und die Hilfe ungebrochen ...
In Ungarn hingegen entsetzen Bilder von der unwürdigen Behandlung, denen
die Flüchtlinge dort ausgesetzt sind. Das ist für ein EU-Mitgliedsland absolut
inakzeptabel. Aber: Ungarn wurde mit dem Schutz der Außengrenze und dem
riesigen Flüchtlingsansturm andererseits völlig allein gelassen ...
Bundeskanzler Werner Faymann hat das inhumane Vorgehen der ungari-
schen Regierung übrigens am 12.9. scharf kritisiert. Die ungarische Regierung
reagierte darauf ebenfalls sehr heftig und warf dem österreichischen Kanzler
sogar eine “Lügenkampagne” vor ... !!?
Viktor Orban soll übrigens ein Verehrer des ehemaligen Hitler-Verbündeten
Miklos Horthy sein, seit November 2013 gibt es ein Denkmal von Horthy in der
Innenstadt von Budapest ...
18.9.: Nachdem Ungarn nun durch den Grenzzaun abgeriegelt ist, versuchen
tausende Flüchtlinge über Kroatien nach Österreich und dann weiter nach
Deutschland oder Schweden zu gelangen
...
23.9.: EU Sondergipfel zur Flüchtlingskrise:
Mit einer Milliarde Euro will die EU Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Syriens
helfen und gleichzeitig den Weg nach Europa erschweren. Darauf konnten sich
die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel einigen ...
Und am 22.9. hatten die EU-Innenminister gegen den Widerstand von Ungarn,
Tschechien, Rumänien und der Slowakei die Verteilung von 120.000 Flücht-
lingen in den EU-Staaten beschlossen. Juncker schloss Änderungen daran
aus: "Der Beschluss steht."
Faymann sieht in dem Gipfelbeschluss einen möglichen Grundstein zur
Reform der Dublin-Verordnung, laut der das Erstaufnahmeland eines
Flüchtenden immer für dessen Asylverfahren zuständig ist. Es sei augen-
scheinlich, dass „Dublin“ nicht funktioniere, sagte Faymann. Einen ersten
Schritt sieht er gemacht: Bei „Hotspots“ zur Registrierung von Flüchtlingen
und bei Rückführungen sei die EU stärker als die einzelnen Nationalstaaten.
Der ungarische Premier Viktor Orban hat vor Beginn des EU-Sondergipfels am
Mittwoch die Flüchtlingspolitik seines Landes verteidigt. Orban verwies auf
das Schengen-Abkommen zum Schutz der EU-Außengrenzen. Und das müsse
erfüllt werden: „Schengen ist ein Gesetz, das gilt.“ Ungarn halte sich daran
und sei somit der „Beschützer Österreichs“...
Orban wies auch darauf hin, dass Griechenland die Schengen-Außengrenze
nicht schützen könne und schlug vor, „dass wir, die Europäer, gemeinsam die
griechische Grenze schützen, wenn Griechenland, ein souveränes Land, dem
zustimmt“. Sollte sein Vorschlag kein Gehör finden, führte Orban weiter aus,
dann werde Ungarn die Grenze zu Kroatien schließen. Die geschlossene
Grenze zu Serbien bezeichnete er als „Erfolgsgeschichte“.
Eines ist jedenfalls gewiss: das Dublin-System benachteiligt die süd-östlichen
und bevorteilt westliche EU-Staaten. Ungarn ist dadurch überlastet. Das Land
musste in letzter Zeit monatlich etwa 10.000 Flüchtlinge aufnehmen. Das ist
viermal so viel, wie Großbritannien derzeit aufnimmt ...
Und wie könnten sowohl Flüchtlinge wie auch EU-Staaten von einem fairen
Verteilungs- und Nachfragesystem profitieren ? Hier ein intereessanter
Vorschlag dazu ...
Weitere Details zur Flüchtlingskrise siehe unter “News” ...
zuletzt aktualisiert am 24.9.15