Im Zentrum von Afrika liegt das größte Flußbecken des Kontinents, das weltweit
zweitgrößte nach dem Amazonas. Es umfasst 3.690.000 Quadratkilometern
Fläche - das Zwölffache der Fläche Italiens, mehr als das Zehnfache der Fläche
Deutschlands und fast 90mal so groß wie die Schweiz.
Dieses majestätische Einzugsbecken nimmt das gesamte Wasser der beiden
Hauptländer auf, die es umfaßt, also die beiden Kongo-Republiken,
sowie Teile des Wassers der angrenzenden Staaten, das sind die Zentralafri-
kanische Republik, Kamerun, Angola, Sambia, Tansania, Burundi und
Ruanda.
Seine geographische Lage beiderseits des Äquators und seine gewaltigen terri-
torialen Dimensionen bringen es mit sich, daß die Wasserführung des Kongo
relativ wenig jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Die jährliche
Wasserführung des Kongo an seiner Mündung schwankt zwischen etwa 42.000
Mrd. m³ und etwa 60.000 Mrd. m³ Wasser, die in den Atlantischen Ozean
abfließen.
Ende der siebziger Jahre entstand die Idee, einen angemessenen Teil dieser
Abermilliarden Kubikmeter in das Becken des Tschadsees umzuleiten. Schon
damals zeigte sich deutlich die alarmierende Tendenz, daß der Tschadsee stark
unter der in der gesamten Sahelzone herrschenden Dürre litt.
In den Regenzeiten erreichte er wegen der verringerten Wasserführung seiner
Zuflüsse Tschari und Logone nicht mehr die Dimensionen der vergangenen
Jahre. Schon damals war klar, welche Ursachen dazu beitrugen: abnehmende
Niederschläge, ansteigende Temperaturen und damit mehr Verdunstung, sowie
der steigende Wasserverbrauch der Bevölkerung in der Region.
Schließlich wurde deutlich, daß die Umleitung einer größeren Wassermenge vom
Kongo (den man damals Zaire nannte) zum Tschadsee die einzige Möglichkeit
wäre, dem drastischen Schrumpfen der Fläche des Sees - die sich Ende der
siebziger Jahre gegenüber dem vorherigen Jahrzehnt schon halbiert hatte -
entgegenzuwirken ....
Ing.Marcello Vichi, ehemaliger Direktor der Firma Bonifica, die dieses Projekt
damals unterstützte, sagte dazu in einem Vortrag zu “Transaqua”: “Um ehrlich
zu sein, erschien das damals gar nicht als eine besonders großartige Idee, sondern
einfach als eine offensichtliche. Es ging nur darum, der Natur ein wenig
nachzuhelfen, da sie in ungefähr tausend Kilometern Entfernung Bedingungen
geschaffen hatte, die auf der einen Seite Millionen Bauern und Hirten zwangen,
ihre Lebensziele zurückzustecken, und auf der anderen Seite eine der größten
Verschwendungen von Süßwasser auf der Welt zuließen.
Man brauchte für die „Idee“ nur noch eine vorläufige Machbarkeitsstudie, vor
allem in technischer Hinsicht: Ob es möglich wäre, mit einem künstlichen Kanal
einen Teil des Wassers der rechten Zuflüsse des Kongo aufzufangen, und dieses
Wasser durch diesen Kanal über die Wasserscheide zwischen Kongo und Tschad
in der Zentralafrikanischen Republik zu transportieren und in den Oberlauf eines
der beiden Hauptzuflüsse des Tschadsees - entweder des Bamingui-Tschari oder
des Logone - zu leiten.”
Angetrieben wurde das Projekt von der Überzeugung, dass Afrika niemals auf
die Beine kommen würde, solange eine solide Infrastruktur im kontinentalen
Maßstab fehlte, und daß diese nur durch drastische, entschlossene Eingriffe
geschaffen werden konnte, wenn die afrikanischen Nationen es verlangen und
die westlichen Länder es unterstützen. Marcello Vichi: “Unsere Expertengruppe
war fest davon überzeugt, daß man mit der Politik vieler kleiner, willkürlicher
Eingriffe keines der schwerwiegenden Probleme Afrikas wirklich lösen könnte -
damit könnten die Menschen nur gerade so ihr Dasein fristen und Notlagen
überstehen. Das ist zwar besser als nichts, aber um den Kontinent zu entwickeln,
mußte man „groß denken“ - ich nannte es „Projekt-Megalomanie“, als Gegensatz
zu Kurzsichtigkeit, Gleichgültigkeit und Geiz, die schon immer die typische
Reaktion auf große internationale Infrastrukturpläne für Afrika gewesen sind.”
Was wären die Auswirkungen/der Nutzen des Projekts in den betroffenen
Ländern von Afrika, siehe ....
Doch leider wurde Transaqua bis heute nicht umgesetzt, obwohl es in den
1980er - und 90er Jahren einige Vorstöße zur Verwirklichung gab.
Dr.Marcello Vichi: “Seit 30 Jahren frage ich mich, warum nicht ein einziger
Dollar ausgegeben wurde, um die Machbarkeit von Transaqua zu prüfen. Noch
heute gilt es als eine phantastische und überdimensionierte Idee, und vor allem
so teuer, daß der Plan es nicht einmal wert ist, die Machbarkeit zu prüfen. Es
wurde und wird bedenkenlos mit Meinungen und finanziellen Schätzungen um
sich geworfen, so als ginge es darum, die Rentabilität eines Bewässerungs-
projektes von 1000 Hektar zu berechnen. Niemand denkt daran, daß der
Transaqua-Vorschlag den enorm großen Dimensionen der ungelösten Probleme
des afrikanischen Kontinents entspricht.
Die verschiedenen internationalen Experten, die sich ereifern und das Transaqua-
Projekt in finanzieller Hinsicht kritisieren, haben nie daran gedacht, den wichtig-
sten Aspekt des Projektes zu prüfen - nämlich seine technische Durchführbarkeit.
So kritisieren sie die Kosten von etwas, was gar nicht existiert, während wir seit
30 Jahren eine erste technische Vorstudie fordern, die überhaupt die physischen
Voraussetzungen des Projektes - die Höhen, den geographischen Verlauf, das
Gefälle, die Dimensionen etc. - feststellt.
„Es kostet zuviel!“ Als gäbe es Projekte, die „zuviel kosten“, und solche, die
„wenig kosten“, und nicht einfach Projekte, die durchführbar und praktisch sind,
und solche, die undurchführbar und unpraktisch sind.
Eine Studie im Auftrag von drei internationalen Organisationen - Oxfam,
Saferworld und International Action Network -, die kürzlich in einem interna-
tionalen Bericht erschien, hat ergeben, daß in den letzten 15 Jahren in 23 der
mehr als 50 Staaten Afrikas insgesamt 284 Milliarden Dollar für Konflikte
ausgegeben wurden. In dieser Zahl, 284 Mrd.$, sind nur die Zerstörungen sowie
die Kosten der Versorgung der Verwundeten und der Flüchtlinge gerechnet.
Es gibt weitere Kosten, die nicht darin enthalten sind - der Verwaltungsaufwand
für die Flüchtlinge, die Behinderung des Handels und die politische Instabilität.
Es gab also in den von der Studie erfaßten 15 Jahren in diesen 23 afrikanischen
Staaten etwa 300 Mrd.$ an „direkten Kosten“: Das sind 20 Mrd. $ jährlich
zwischen 1990 und 2005. Und diese Studie berücksichtigt nicht die „Kollateral-
schäden“ der Konflikte wie die Verdoppelung der Kindersterblichkeit, Zunahme
von Unterernährung, Sinken der Lebenserwartung, deutliche Zunahme der
Analphabetenrate unter den Erwachsenen etc. Alle diese Elemente sind real,
keine bloße Theorie, und sie lassen sich auch in Dollars messen, wenn die Sozio-
ökonomen, die sie untersuchen, ein entsprechendes kulturelles Niveau und pro-
fessionelle Fähigkeiten haben. Man kann sicher sein, daß diese Kosten seit 2005
weiter gestiegen sind.
Ich möchte an dieser Stelle eine einfache Hypothese aufstellen. Stellen wir uns
vor, daß in den achtziger Jahre alle Aspekte von Transaqua untersucht worden
wären - Geopolitik, Geographie, Hydraulik, Klima, die sozialen und wirtschaft-
lichen Aspekte etc. - und daß man das Projekt für durchführbar befunden hätte.
Stellen wir uns weiter vor, daß man es nach dieser Feststellung geschafft hätte,
10% der Kosten der Konflikte, also „nur“ 2 Mrd.$ pro Jahr, in dieses Projekt
umzuleiten. Dann hätten wir heute, nach 20 Jahren, eine Kette riesiger pulsier-
ender Baustellen auf interafrikanischer Ebene.
Trotz allem glaube ich, daß das beharrliche Werben für Transaqua doch eine
Wirkung hatte: das Konzept des „Wassertransfers“ aus dem Kongobecken in das
Tschadbecken wird aufgegriffen. Das zeigt die derzeitige Studie über das
„Projekt für den Wassertransfer vom Oubangui zum Tschadsee“. Es ist eine
andere Behandlung derselben Frage, aber der Ansatz ist der gleiche. Wir können
nur hoffen, daß das derzeit laufende Projekt wenigstens ausreicht, um den Trend
zum Austrocknen des Sees aufzuhalten - wenn dieser Trend gestoppt wird, wäre
das auf jeden Fall schon sehr positiv. Deshalb glaube ich, daß das Oubangui-
Tschad-Projekt nicht im Widerspruch zu Transaqua steht, sondern daß sie
einander höchstwahrscheinlich ergänzen. Aber noch einmal: Notwendig wäre
eine Machbarkeitsstudie für Transaqua, doch die europäischen Entwicklungs-
hilfeprogramme werden das wahrscheinlich nicht finanzieren.