Der Plan war und ist, etwa 3000 m³ Trinkwasser pro Sekunde in den Tschadsee zu
leiten, was einer Wassermenge von etwa 100 Mrd. m³ pro Jahr entspricht. Damit
würde dem Kongo nur 6-8% seiner Wasserführung entzogen, aber gleichzeitig
entstünde ein großer Kanal mit der anderthalbfachen Wassermenge des Nils bei
Assuan.
Während des „Falls“ zum Tschadsee könnte diese Wassermasse rund 30
Mrd. kWh Strom erzeugen (wenn man von einer Wassermenge von 100 Mrd. m³
ausgeht), davon zwei Drittel in der Zentralafrikanischen Republik und ein Drittel
im Tschad.
Wenn die früheren Dimensionen des Tschadsees wiederhergestellt sind (20.000-
25.000 km² Oberfläche), könnte man das dann verfügbare Wasser zur Bewässer-
ung von etwa 3 Mio. Hektar Land und zur Unterstützung der land- und
viehwirtschaftlichen Entwicklung eines riesigen Gebietes verwenden - insbe-
sondere im Tschad, aber auch in Nigeria und Kamerun sowie in der Zentralafrika-
nischen Republik entlang des Bamingui. Man könnte dadurch insgesamt etwa
50.000 km² Landfläche bebauen - ein Sechstel der Fläche Italiens.
Zusätzlich zum Transport dieser beträchtlichen Wassermenge in den Tschad
könnte dieser Kanal eine weitere wichtige und keineswegs marginale Funktion
erfüllen: Er wäre ein Wasserweg für Fracht - und wir wissen, daß das die
bequemste Transportmethode ist.
Etwa 800 km dieser 2400 km langen „Wasserautobahn“ im Herzen Afrikas
befänden sich in der Zentralafrikanischen Republik, 1600 km auf dem Territorium
des Kongo.
Beiderseits dieser Wasserstraße gäbe es Betriebswege für die Rodung der
bewaldeten Gebiete und den Kanalbau, und später nach der Fertigstellung für die
Instandhaltung.
Entlang dieser Straßen könnte „stromaufwärts“, d.h. von Nord nach Süd, eine
Hochspannungsleitung geführt werden, u.a. gespeist aus den 30 Mrd. kWh Strom
jährlich, die entlang des „Gefälles“ des mit dem Kanal umgeleiteten Wassers zum
Tschadsee erzeugt werden. Diese Stromleitung könnte das gesamte Gebiet des
Kanals auf den 2400 km Länge versorgen.
Außerdem gäbe es Landestellen an den Kreuzungspunkten des Kanals mit den
Nebenflüssen des Kongo. Die Nutzfläche für Ackerbau und Viehzucht, die von
einem solchen Infrastrukturprojekt profitierte, umfaßt schätzungsweise 100.000
km², und der allgemeine soziale und wirtschaftliche Einflußbereich könnte eine
Fläche größer als Deutschland einschließen.
In einem riesigen geographischen Gebiet, mit der Kivu-Region und dem Oberen
Kongo in der Demokratischen Republik Kongo sowie den Regionen am Oberen
Mbomo und Oberen Kotto in der Zentralafrikanischen Republik, herrschte und
herrscht heute noch ein dramatischer Mangel an der elementarsten und grund-
legendsten Infrastruktur, insbesondere Fernstraßen, die diesen Namen verdienen.
Am Nordende des Kanals, auf dem Territorium der Zentralafrikanischen Republik,
nahe der Kongo-Tschad-Wasserscheide auf der Höhe des Oberlaufs des Bamingui,
ist ein großer künstlicher See geplant, in dem das Wasser aus dem Kanal
gesammelt werden soll, um es für das erste Wasserkraftwerk des Systems zu
nutzen, bevor es nach Norden zum Tschadsee fließt.
An den Ufern dieses künstlichen Sees entstünde ein sogenanntes „Interafrika-
nisches polyfunktionales Handelsgebiet“ (ASPI) in einer Region, die von einem
Ost-West-Straßen-Korridor, der die beiden Seehäfen Mombasa und Lagos mitei-
nander verbindet, gekreuzt wird. Diese Straße existierte damals zum Teil schon, sie
mußte nur fertiggestellt und an die wesentlichen Anforderungen einer „trans-
kontinentalen Autobahn“ vom Atlantischen bis zum Indischen Ozean angepaßt
werden.
Dieses ASPI kann durch eine einfache Straßenverbindung mit dem Binnenhafen
Bangui und über diesen Hafen per Fluß mit Brazzaville und Kinshasa verbunden
werden.
Es könnte ein wichtiges Industriegebiet werden, spezialisiert auf den Agrar-
und Lebensmittelsektor, wo die Produkte aus der Land- und Viehwirtschaft in den
neu aufgewerteten Agrarregionen des Kongo und Zentralafrikas sowie aus der
erweiterten und modernisierten Bergbauregion am Oberen Kotto verarbeitet
werden.
Das ASPI läge im Zentrum des Wasser- und Straßennetzes und wäre damit der
erste große Binnenhafen in strategischer Lage auf dem afrikanischen Kontinent,
der auch für den Containerumschlag ausgerüstet wäre. Es wäre ein Industrie- und
Verarbeitungszentrum und ein großes Handelszentrum für den Import von Produk-
tionsanlagen und die Verteilung afrikanischer agro-industrieller Produkte in andere
afrikanische Länder, zu den Seehäfen Lagos und Mombasa sowie durch den Aus-
bau der Trans-Sahara-Fernstraße Lagos-Algier und die in neuerer Zeit geplante
„Wüstenstraße“ N’Djamena-Tripolis auch zu den Mittelmeerhäfen Algier und
Tripolis.
Dieses große Wasser- und Straßenverkehrsnetz ist nicht nur aus dem offensicht-
lichen Grund der allgemeinen Entwicklung notwendig, sondern speziell auch für
die Vermarktung afrikanischer Produkte und ihren Export auf ausländische
Märkte. Man geht davon aus, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen - wie
schon gesagt, können vor allem in der trockenen Sahelzone bis zu 3 Mio.ha
kultiviert werden - im günstigsten Fall eine Landwirtschaft wie am Nil zulassen,
wo bis zu drei Ernten im Jahr möglich sind. (Die etwa 80 Millionen Ägypter leben
auf nur etwas mehr als 3,5 Mio.ha Land).
Die land- und viehwirtschaftliche Erzeugung, die aufgrund dieser riesigen
Bewässerungsmaßnahmen möglich würde, wäre so reichlich, daß es unsinnig wäre,
nur für die örtliche Bevölkerung und nicht auch für den Export auf andere Märkte
zu produzieren.
Nimmt man noch die zu erwartende agro-industrielle Produktion aus der ASPI
hinzu, so wäre es unsinnig, alle diese land- und viehwirtschaftlichen und agro-
industriellen Produkte herzustellen, ohne ein effizientes Verkehrsnetz für ihre
Vermarktung im übrigen Afrika und außerhalb Afrikas zu schaffen. Die Schaffung
und Optimierung dieses Netzes sollte mit dem Bau des Kanals Hand in Hand
gehen.
Quelle: http://www.solidaritaet.com/neuesol/2011/32/vichi.htm