Pilz beschreibt in seinem Buch, wie Erdogan-Anhänger Kritiker des türkischen
Präsidenten mitten in Österreich türkisch-stämmige Österreicher bespitzeln.
Sie schicken ihre Berichte über die Botschaft oder direkt an die Polizei in
Ankara. Wenn die Betreffenden dann in die Türkei fahren, werden viele von
ihnen an der Grenze – meist ohne Angabe von Gründen - verhaftet und
festgehalten.
Im Buch von Peter Pilz gibt es einen Erfahrungsbericht dazu. Der Betreffende
(ein österreichischer Staatsbürger türkischer Herkunft) wurde im Oktober 2016
am türkischen Flughafen Sabiha Gökcen ohne Angabe von Gründen von Poli-
zisten angehalten. Sie haben ihm Pass und Handy abgenommen. Er konnte
weder mit seinen Verwandten in der Türkei, noch mit seiner Familie in Öster-
reich telefonieren.
Draufhin wurde er insgesamt 3 Tage in einer Polizeistation am Flughafen in
der Türkei festgehalten: „Die Tür zu unserem Raum war immer versperrt. Wir
waren 15 Leute, es war kalt und ich habe keine Decke bekommen, ich konnte
kaum schlafen. Ich habe mich dadurch schwer verkühlt. Die ganze Zeit brannte
das Licht in der Zelle. Während der ganzen Zeit erhielten wir keine frische
Kleidung oder eine Zahnbürste.“ (S.69ff.*)
Beim Rückflug ist ein türkischer Beamter mit ihm mitgeflogen: „Er hatte mein
Handy und meinen Reisepass in einem Paket. Am Flughafen Wien hat die
österreichische Polizei gewartet. Der türkische Beamte wollte ihnen das Paket
mit meinen Sachen geben, aber der österreichische Polizei hat gesagt: „Das
nehmen wir nicht. Das hat mit uns nichts zu tun. Die Sachen musst du ihm
selber geben.“ Da hat mir der türkische Beamte meine Sachen gegeben. Die
österreichischen Polizisten sind dann weggegangen, ohne mir zu helfen oder
zu fragen, was mir in der Türkei widerfahren ist. Ich habe auch nicht versucht,
mit ihnen zu reden, ich war einfach nur froh, wieder in Wien zu sein.“(S.70ff.*)
Eine ziemlich dubiose Geschichte, die einige Fragen aufwirft. Denn anschei-
nend war die österreichische Polizei „eingeweiht“ und hat „mitgespielt“.
Die Antwort liegt gemäß Pilz in der ÖVP – und hier vor allem beim Innen-
minister (= Sobotka) und beim Außenminister ( = Kurz), die beide davon wis-
sen, aber nichts dagegen unternehmen: „Der Außenminister hat im Parlament
bestätigt, dass er die Fälle und die Gefahr kennt. Aber er hat nichts getan. Der
Innenminister bestätigt, dass er die Beweise für die Spitzeltätigkeit von ATIB
erhalten hat. Aber er schützt ATIB und nicht deren Opfer.“ so Pilz.
Pilz deckt in seinem Buch einen weiteren ÖVP-Skandal auf: MÜSIAD-Funkti-
onär Hasan Vural kandidierte bei der Nationalratswahl 2013 für die ÖVP auf
Platz 15 der Wiener Liste. Vural verfügt über ein eigenes Wahlbüro am Wiener
Brunnenmarkt. Mit 1.500 Stimmen blieb das Vorzugsstimmenergebenis dann
weit unter den gemeinsamen Erwartungen.
Pilz schreibt dazu: „Vurals Tätigkeitsfeld reicht bis in die muslimische Fami-
lienpolitik: „Wieso werden Kondome an Muslime verteilt? Sollen wir etwa keine
Kinder mehr bekommen können?“
Aber seine Hauptkompetenz liegt nicht in der Familienpolitik. Sie trägt einen
Namen: Erdogan.
Der Erdogan-Unternehmerverband MÜSIAD dient der Kontrolle der türkisch-
stämmigen Klein- und Mittelunternehmer in Österreich. Zwei Kontaktleute ver-
binden MÜSIAD regelmäßig mit Ankara: der AKP-Abgeordnete Metin Külünk
und Bilal Erdogan, der geldwäscheverdächtige Sohn des Präsidenten.
2013 war Sebastian Kurz beides: die Nachwuchshoffnung der ÖVP und der
Kontaktmann zu den Erdogan-Vereinen. Das Geschäft war für beide Seiten
vorteilhaft: Die AKP-Vereine griffen der ÖVP im Wahlkampf unter die Arme; die
ÖVP revanchierte sich mit Listenplätzen und guten Kontakten.“ (S.72ff.*)