Stanislaw Belkowski schildert die Umstände, wie es dazu kam, dass Boris
Beresowski bei Putin in Ungnade fiel, folgendermaßen:
 “Der Konflikt zwischen Putin und Beresowski spitzte sich beim Untergang des
Atom-U-Boots “Kursk” im September 2000 zu. Putin hatte seinen Urlaub in
Sotschi nicht sofort unterbrochen, um zur Unglücksstelle zu eilen.
Natürlich war das ein fataler politischer Fehler - ein Staatsoberhaupt ist
verpflichtet, sich am Ort der größten Katastrophe seines Landes zu befinden. Sein
Verhalten war unverzeihlich, aber wir sollten nicht vergessen, dass WWP (Anm.:
Wladimir Putin) Präsident geworden war, ohne dass er sich zuvor je einmal als
Politiker in der Öffentlichkeit bewegt hatte. Ganz banal fürchtete er sich, vor den
Kameraaugen zu Fragen über die Tragödie Rede und Antwort zu stehen. Er hatte
Angst vor dem Umgang mit den erzürnten Seemannswitwen - nicht ohne Grund,
wie sich herausstellte.
Beresowski jedoch gab sich mit derlei Nuancen nicht ab, und außerdem ärgerte ihn
die Reform des Föderationsrates (der höchsten Kammer des russischen
Parlaments), die man ohne Rücksprache mit ihm, dem damals großen Oligarchen,
im Mai 2000 intiiert hatte.
Der von Beresowski persönlich kontrollierte Fernsehsender ORT (heute - Erster
Kanal des Russischen Fernsehens) ließ seinen ganzen verbitterten Zorn an Putin
aus. Die Nachrichtensendungen des Kanals sowie die analytische Sendung von
Sergei Dorenko mit den höchsten Einschaltquoten äußerten sich gegenüber dem
Präsidenten alles andere als freundlich. Besonders bemerkte Dorenko die Patek-
Philippe-Uhr des Präsidenten im Wert von 50.000 Dollar, die ausgerechnet die
linke Hand des neugewählten Staatsoberhauptes zierte.
Putin wertete Beresowskis Verhalten als Verrat, der sich für ein Mitglied eines
vereinten Machtkommandos nicht ziemt. Alle direkten Interessenvertreter des
Oligarchen bei ORT - zunächst die Leiter für Informationssendungen Tatjana
Koschkarjowa und Sergej Narsikulow und dann Sergei Dorenko - wurden
entlassen. Danach empfing der Präsident seinen ehemaligen Freund im Kreml und
teilte ihm mit, dass der Erste Kanal nun wieder der direkten Aufsicht des Staates
unterstellt sei, also seiner eigenen, der von Wladimir Putin. “Leben Sie wohl, Boris
Beresowski”, waren die letzten Worte des Präsidenten, die aus dem Freund einen
Feind machten.
Dennoch wurde mit Beresowski als jemandem, der einen erheblichen Beitrag zur
Operation “Nachfolger” geleistet hatte, durchaus menschlich umgegangen und
auch nicht ohne den für Putin charakteristischen Edelmut. Man nahm ihm sein
Eigentum auf russischem Territorium nicht weg, sondern kaufte es für viel Geld.
1,3 Milliarden Dollar erhielt er für seinen Anteil an Sibneft, 205 Millionen Dollar
für den an Aeroflot, 170 Millionen Dollar für ein absolut illiquides
Minderheitenpaket (49 Prozent) der Aktien am Fernsehsender ORT, der ohne
staatlichen Willen und Zustimmung absolut keinen Wert besaß. Es waren also
insgesamt an die 1,7 Milliarden Dollar - nicht schlecht, besonders für die Jahre
zwischen 2000 und 2002, als die Preise und Größenordnungen noch ein wenig
anders waren als heute.”
Quelle: Stanislaw Belkowski, “Wladimir - Die ganze Wahrheit über Putin”,
                 Redline Verlag, 2014, S.116 ff.