“Fast ein Jahr war vergangen, und ich wusste immer noch nicht, was genau ich in
Japan zu suchen hatte. Drei Monate vor dem Ende meines Aufenthalts in Japan
nahm ich an einer internationalen Konferenz in der Kaiserstadt Kyoto teil, die sich
mit der Rolle der Jugend im Zeitalter der Globalisierung beschäftigte. Dreißig
Studenten aus aller Welt diskutierten vor breitem Publikum mit hochangesehenen
Gästen und renommierten Wissenschaftlern. Ich vertrat dabei sowohl Ägypten als
auch Deutschland. Der erste Tag verlief gut, und die Diskussionen waren angeregt.
Am Abend veranstalteten die Studenten eine Party.” (S.241*)
Auf dieser Party lernte Hamed Abdel-Samad Connie kennen, die ebenfalls an dieser
Konfernz teilnahm. Es war “Liebe auf den ersten Blick”. Connie hatte eine japani-
sche Mutter und einen dänischen Vater und das erste, was sie ihn fragte war, ob er
Muslim sei und ob er ihr etwas über die Sufis erzählen könne: “Sie war glücklich,
dass ich ihr vieles über die Sufis erzählen konnte. Ich war beeindruckt, wie eine
Einundzwanzigjährige, die in einer so ausgeprägten Konsumgesellschaft lebt, so tief
über den Sinn des Lebens nachdachte. Wir unterhielten uns stundenlang über Gott
und die Welt, über Ausländer in Japan und über sie. Ihr Vater war Kapitän gewesen,
und sie hatte mit ihm die halbe Welt bereist. Im Alter von elf Jahren war sie dann mit
ihrer Familie aus Dänemark nach Japan gekommen und hatte die Sprache und
Lebensweise erst lernen müssen. (...)
Als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, bat ich sie, mit auf mein
Zimmer zu kommen und die Nacht bei mir zu bleiben. Ich war mir sicher, dass sie
nicht ablehnen würde, obwohl sie überhaupt nicht den Eindruck einer Frau machte,
die so ohne Weiters mit einem fremden Mann auf sein Zimmer gehen würde. Wir
sagten nichts und taten auch nichts. Ich wollte nur in ihre Augen schauen und habe
keine Sekunde geschlafen, während sie ruhig in meinen Armen schlief. Ja, ich war
verliebt. Auf so einen Moment, auf so eine Nacht, hatte ich mein ganzes Leben
gewartet.
Am nächsten Tag nutzten wir jede freie Sekunde bei der Konferenz, um miteinander
zu sprechen. Uns war egal, ws die andern über uns flüsterten. In der folgenden
Nacht schlief sie wieder in meinem Bett. Einen Tag später endete die Konferenz, und
ich musste in meine Stadt zurückkehren. Connie blieb in Kyoto, wo sie wohnte,
besuchte mich aber einige Tage später und verbrachte das Wochenende mit mir.
Zum ersten Mal spürte ich keine Schuldgefühle und kein Unbehagen, während ich
mit einer Frau schlief. So wie sie den Schlüssel zu meinem Herzen gefunden hatte,
fand sie auch den Schlüssel zu meinem Körper. Ihre unschuldige, natürliche Art
betörte mich, befreite mich. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, was es
bedeutet, zu Hause zu sein.” (S.243 ff.)