„Die alte Frau bestimmte fast alles im Haus und traf Entscheidungen, denen
nicht einmal mein Vater wiedersprechen konnte. Sie war dafür verantwortlich,
dass mein älterer Halbbruder Mohammed die Schule schon mit acht Jahren
endgültig verließ. Als er einmal mit roten Augen aus der Schule zurückkam,
fragte sie ihn: Was ist mit deinen Augen los, Junge? „Die Kinder in der Klasse
furzen die ganze Zeit.“ Daraufhin schwor sie bei Allah, dem Allmächtigen, dass
er die Schule nie wieder betreten werde. Ich verstehe bis heute nicht, wie mein
Vater, der gebildet ist, so etwas zulassen konnte. Der Schwur bei Allah stand
der Zukunft meines Bruders entgegen, und Allah, der Allmächtige, siegte.
Man sagt, in Ägypten würden die Frauen unterdrückt, aber eine Frau wie meine
Großmutter war imstande, im Alleingang alle Männer Ägyptens zu unter-
drücken.
Es ist wohl so: jeder unterdrückt jeden. Der Staat unterdrückt die Menschen,
und die Menschen unterdrücken einander. Männer unterdrücken ihre Frauen,
die Frauen unterdrücken ihre Schwiegertöchter und die eigenen Kinder. Den
Kindern bleiben nur noch kleinere Kinder und Tiere übrig. In Wirklichkeit ist
niemand in Ägypten grausamer als die Kinder.
Aber es liebt jeder auch jeden, und die Menschen sind füreinander da und
verlieren ihren Humor nicht. Trotz der Brutalität des Alltags überraschen mich
meine Landsleute immer wieder mit ihrem Lächeln, das aus dem Herzen
kommt, als würden sie in einer anderen Welt leben als der meinen. Ich weiß
nicht, ob sie das tun, weil sie an Gott glauben und auf die Belohnung nach dem
Tod warten. Ich denke eher, dass Optimismus und Humor die einzigen Waffen
sind, die sie gegen das Elend und die Grausamkeit des täglichen Lebens
besitzen. Je härter das Leben, desto solidarischer sind die Menschen, die nicht
viel zu verlieren haben.“