Die jährliche Rede zur Lage der Union von EU-Kommissionspräsident Jean-
Claude Juncker ist angesichts der zahlreichen gegenwärtigen Krisen mit besonders
großer Spannung erwartet worden. Bereits im Vorfeld schürten Junckers Mitar-
beiter die Erwartungen. Er wolle die „Gelegenheit beim Schopfe packen“, so sein
Kabinettschef Martin Selmayr.
Juncker sprach sich im Europaparlament in Straßburg generell für eine noch
engere Zusammenarbeit in Europa und gegen ein Europa mehrerer Geschwin-
digkeiten aus. Er sei für die Einführung des Euro überall in der EU, also auch
in den ärmeren osteuropäischen Ländern. „Der Euro ist dazu bestimmt, die
einheitliche Währung der EU als Ganzes zu sein“, sagte Juncker wörtlich.
Weitere wichtige Punkte: Juncker plädiert für einen EU-Finanz- und Wirt-
schaftsminister, eine EU-Staatsanwaltschaft, ein EU-Militär. Er plädiert für
mehr Demokratie, will aber gleichzeitig das Amt des EU-Ratspräsidenten
abschaffen. Bei Freihandelsverträgen verspricht er mehr Transparenz - davon ist
aber bis jetzt nichts zu merken. Eine Änderung der Verträge hält er nicht für
notwendig.
Hier ein Auszug seiner Rede ...
sowie eine Zusammenfassung
vom ORF ...
In einem Interview erläuterte Juncker nochmals seine Standpunkte...
Die Rede stößt teilweise auf viel Kritik, vor allem bei EU Kritikern, die noch mehr
Zentralismus fürchten und diesen ablehnen, da ein solcher mit einer noch größeren
Aushöhlung der Demokratie in der EU verbunden wäre.
Besonders kritisch wird der Vorschlag zur Ausweitung der Euro- und der
Schengen-Zone gesehen. Zwar ist längst das Ziel vertraglich festgeschrieben, dass
alle EU-Staaten die Gemeinschaftswährung einführen. Sie gilt derzeit aber nur in
19 von 28 EU-Staaten. Einige Länder wollen den Euro nicht, darunter Dänemark
und Großbritannien, das ohnehin vor dem Absprung aus der Union steht. Andere
erfüllen die wirtschaftlichen Vorgaben nicht - auch der Druck, den Juncker
aussenden wollte, wird das nicht ändern ...
So signalisieren hier nicht nur Bundeskanzler Kern und ÖVP-Chef Kurz
umgehend Ablehnung
, Skepsis kommt hier sogar auch vom mächtigen
deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble ...
Die Amsterdamer Zeitung "De Telegraaf" fasst die Rede von Juncker fol-
gendermaßen zusammen: "Mehr, mehr, mehr. EU-Kommissionspräsident Jean-
Claude Juncker will nur mehr Europa. Das ist die Botschaft seiner jährlichen
'Thronrede': Volle Fahrt voraus mit dem europäischen Projekt. (...) Aber Gefahr
kommt nicht nur aus Brüssel. Auch Paris und Berlin haben solche Regungen. Der
brandneue Präsident Macron und die so gut wie wiedergewählte Bundeskanzlerin
Merkel bilden ein trittfestes Tandem und ihre Pläne gehen in die gleiche Richtung.
Bei diesem Szenario werden die Niederlande noch größere finanzielle Risiken für
den schwachen Süden tragen müssen. Zudem ist es riskant, einfach so mit dem
Projekt Europa weiterzumachen, während sich die Zustimmung der Bevölkerung
in Grenzen hält. Die Siegesstimmung der Europaanhänger ist fehl am Platze und
nicht ohne Gefahr." (Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/juncker-rede-presseschau-101.html)
sowie einige Kommentare ...