Eigentlich sollte man ihr dankbar sein. Hätte es Wallis Simpson nicht gegeben, und hätte
König Edward VIII. nicht abgedankt, um sie heiraten zu dürfen, dann hätten die Briten in diesen
Tagen nicht das Diamantene Thronjubiläum der Queen feiern können. Elizabeth II., Edwards
Nichte, wäre nie auf den Thron gekommen und hätte das Empire nie auf ihre großartige Weise
zusammenhalten können.
Doch statt Dankbarkeit schlug Wallis Simpson Zeit ihres Lebens Ablehnung entgegen. Lange
galt sie als meist gehasste Frau der Welt. Die Briten beschuldigten die Amerikanerin, sie habe
ihnen den König gestohlen. Eine Darstellung, der nun, 25 Jahre nach Wallis Simpsons Tod,
erstmals vehement widersprochen wird. Eine Fürsprecherin hat sie ausgerechnet in Madonna
gefunden, die in ihrem Film "W. E." ein ganz neues Bild von Wallis Simpson zeichnet. Eines,
welches die vermeintliche Täterin als Opfer erscheinen lässt.
Edwards Abdankung - für Wallis eine Katastrophe. Sie erhielt Morddrohungen, fürchtete um ihr
Leben. War sie bis dahin wegen ihres Modestils bewundert worden - sie trug stets die neusten
Kreationen von Dior, Elsa Schiaparelli und Givenchy sowie exquisiten Schmuck von Cartier und
Van Cleef & Arpels -, war das aufregende Leben in der britischen High Society mit einem
Schlag vorbei. Niemand wollte mehr mit ihr und Edward, die nach ihrer Hochzeit 1937 Herzog
und Herzogin von Windsor hießen und isoliert im Exil in Frankreich lebten zu tun haben. In "W.
E." stellt Madonna die These auf, dass Wallis in Wirklichkeit mehr aufgeben musste als Edward.
Nämlich ihren Ruf, ihre Freiheit und ihre Privatsphäre.
Die Pop-Diva als Historikerin? "Alles, was ich über den Herzog und die Herzogin zu sagen
habe, ist das Ergebnis meiner ausführlichen Recherchen", erklärt Madonna. "Mir ging es um ein
vollständigeres Bild von Wallis als das, welches man normalerweise kennt." Wie man ihren Film
auch beurteilen mag - diesem eigenen Anspruch jedenfalls wird Madonna gerecht. Ihre Quellen:
Briefe, die Wallis im Exil sowohl an Edward als auch an Freunde verfasst hatte. Ihr Besitzer, der
ehemalige Harrods-Eigentümer Mohammed Al-Fayed, gewährte Madonna exklusive Einblicke in
die brisanten
"Sie machen sich keine Vorstellung, wie schwer es ist, die größte Romanze der Welt zu leben",
schrieb Wallis etwa einer Vertrauten. "Er hat mich benutzt, aus seinem Gefängnis
auszubrechen. Jetzt muss ich für immer bei ihm bleiben."Film nicht etwa Wallis, die den König
zum Abdanken bewegt, sondern der junge König ist seinem Amt ohnehin nicht gewachsen.
Mehr noch: Als Wallis versucht, Edward davon abzubringen, nach nicht mal einem Jahr
abzudanken, und sich lieber von ihm trennen will, ist er es, der darauf besteht, ohne sie nicht
leben zu können.
Unterstützung für ihre Version der jüngeren britischen Geschichte bekommt Madonna in Form
von zwei neuen Biografien, die im vergangenen Jahr erschienen sind: "Behind Closed Doors.
The Tragic Untold Story Of The Duchess of Windsor" von Hugo Vickers und "That Woman: A
Life Of Wallis Simpson, Duchess of Windsor" von Anne Sebba
Letztere bezieht sich ebenfalls auf bislang unbekannte Briefe der Herzogin, vornehmlich solche,
die sie 1936 und 1937 aus dem Exil an ihren zweiten Ehemann Ernest Simpson schrieb, ein
amerikanischer Geschäftsmann, mit dem sie 1928 nach London gezogen war. Ihm gegenüber
beklagte sich Walis über Edwards kindische Art: Die Beziehung sei "ein Durcheinander", und sie
spüre eine "beginnende Leere".
Die größte Liebesgeschichte der Welt - in Wahrheit eine Tragödie für die Liebenden selbst? So
sieht es aus. Und den meisten Briten dürfte das gefallen.
Quelle: www.gala.de/lifestyle/kultur/186415/Wallis-Simpson-Vamp-oder-Opfer