Nicht nur in den Asylverfahren wurden die Großraminger, die die Flüchtlinge
am besten kennen, von den Behörden abgeblockt. Ihr Dorf war die 77.Gemein-
de, die in Oberösterreich Flüchtlinge aufgenommen hatte. „Und trotzdem
haben wir vollkommen bei null angefangen“, echauffierte sich Hemma bei
unserem Gespräch. Es gebe keine geordnete Weise, wie die Behörden
Informationen weiterleiteten, die Plattform habe sich das meiste selbst
erarbeiten müssen.
Auch Christian Zickbauer, der mit am Küchentisch saß und der in der Plattform
für die Kommunikation zwischen Bürgern, Flüchtlingen und Quartiergebern
zuständig ist, meinte, „dass von staatlicher Seite viel zu wenig kommt.“ Das
müssten die Ehrenamtlichen alles ausgleichen. Der Staat halte sich raus, der
Quartiergeber verdiene Geld und die Ehrenamtlichen trügen die meiste Last,
meinte er. Immerhin sei der Quartiergeber inzwischen sehr kooperativ. Aber
jemand anderer wandte ein, dass dies auch kein Wunder sei, wenn die
Plattform einen guten Teil seiner Arbeit mache.“
Für die Betreuung der Flüchtlinge von staatlicher Seite ist ein/e bezahlte
Flüchtlingsbetreuer/in zuständig.
Im Fall von Großraming ist das Eveline Fromm von der Volkshilfe. Karim El-
Gawhary schildert ihre Tätigkeit folgendermaßen: „Das Wichtigste, was man
wissen muss, um die Arbeit der engagierten Frau zu beurteilen, ist ihr Betreu-
ungsschlüssel. Bei unserem Treffen war sie für 100 Flüchtlinge in vier Quartier-
en zuständig. Dabei hat sie noch Glück, denn der offizielle Betreuungsschlüs-
sel, den das Land Oberösterreich akzeptiert, liegt bei 1 zu 170. Ihre halb-
stündige Anfahrtszeit aus Steyr nicht mitgerechnet hat sie pro Woche acht
Stunden Zeit, um sich um die Belange der 50 Flüchtlinge in Großraming zu
kümmern. Die stehen Schlange, wenn sie kommt. Meist geht es um Neuig-
keiten, was Anhörungen und Bescheide angeht, oder um das Einlegen von
Widersprüchen. Oft fange das Problem erst richtig an, wenn sie einen positiven
Bescheid bekommen haben, erzählte sie. „Dann beginnt ein Teufelskreis. Sie
haben vier Monate Zeit, eine Wohnung zu finden, dazu brauchen sie einen
Arbeitsplatz, und den bekommen sie nur mit einem Wohnsitz“, erläutert die
Betreuerin.
Ihr größtes Problem, abgesehen von der zur Verfügung stehenden Zeit: Es sei
schwer, die Entscheidungen der Behörden zu vermitteln. Das lange Warten
zermürbe die Flüchtlinge. Dann bekomme jemand einen Termin, der erst viel
später angekommen ist: „Warum hat der einen positiven Bescheid und ich
noch nicht einmal einen Termin?“ Das seien Fragen, mit denen sie konfrontiert
sei. Doch selbst für sie, die zwischen Staat und Flüchtlingen vermitteln sollte,
seien Nachfragen bei den Behörden oft mühsam. „Da entsteht eine Menge
Frust und Unsicherheit, die auch manchmal an den Flüchtlingsbetreuern aus-
gelassen wird“, monierte sie.
Eine ihrer Aufgaben sei es, auch die psychologischen Problemfälle zu finden.
In einem anderen Heim gab es einen 18-jährigen Afghanen, „ein ruhiger, ange-
nehmer junger Mann“, der sich dann aber immer mehr zurückgezogen habe,
nicht mehr in der Schule aufgetaucht sei, immer in gebückter Haltung und
zitternd auftauchte und „komplett zugemacht hat“. Sie wollte ihn zu einer
Fachbetreuung schicken. Das lehnte er ab. (…)
Mit den allermeisten Flüchtlingen laufe es allerdings ohne Probleme, meinte
die Flüchtlingsbetreuerin, und die Dankbarkeit auf Seiten der Flüchtlinge sei oft
groß. „Einmal wollte einer von ihnen zum 80.Geburtstag meiner Mutter mitkom-
men, um sich bei ihr zu bedanken, dass sie mich auf die Welt gebracht hat“,
lachte sie.
Die ehrenamtliche Plattform der Großraminger bekam ein großes Lob von ihr.
Der Ort habe sich seit der ursprünglichen Diskussion um das Flüchtlingsheim
100-prozentig gedreht, bescheinigte sie. Es gebe dort ein große Gastfreund-
schaft gegenüber den Flüchtlingen und viel Hilfe durch die Plattform.” (S.166 ff.)