Massen von Flüchtlingen – vorwiegend aus dem verwüsteten Syrien, aber auch
aus dem Irak, Afghanistan oder aus Afrika - erreichen momentan Europa und
suchen hier Zuflucht.
Was haben diese Menschen erlebt, was sind die Motive und Beweggründe für
diese zum Teil lebensgefährliche Flucht in eine ungewisse Zukunft und in ein
völlig fremdes Land ? Sind das alles wirklich nur “Kriminelle” und “potenzielle
Dschihadisten”, wie manche zynisch behaupten ??
Die beiden ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary und Mathilde Schwaben-
eder beschreiben in ihrem jetzt (Sept.2015) neu erschienen Buch „Auf der
Flucht“ einige Einzelschicksale – und ermöglichen so Einblick in die unvor-
stellbare Not, Angst und das tiefe Leid, das diese Menschen oft erlebt haben,
bevor sie europäischen Boden betreten. Aber auch dann sind sie oft weiterhin
Ablehnung, Ausgrenzung, Not und Armut ausgesetzt ….
Dembo, 17 Jahre alt, ist einer von tausenden „unbgleiteten Minderjährigen“,
wie sie von Behörden und NGOs bezeichnet werden, die ganz alleine, ohne den
Schutz von Vater, Mutter oder einem anderen Erwachsenen, in das ferne
Europa geflüchtet sind.
Was sind die Gründe, warum sich diese jungen Menschen ganz alleine auf
diese gefährliche „Reise“ begeben? Dembo wurde in Gambia geboren, dem
kleinsten Staat Afrikas. Gambia hätte , wie Frau Schwabeneder schreibt, so wie
viele andere Länder in Afrika das Zeug zum Paradies. Dort gibt es ausgedehnte
Mangrovenwälder, eine vielfältige Tierwelt, Palmenhaine und einsame Traum-
strände am Atlantik. Es verfügt jedoch über keine für den Westen relevante
Ressourcen und ist nach wie vor bitterarm. Viele Dörfer haben weder Strom
noch Wasser. Rund die Hälfte der Bevölkerung sind Analphabeten.
Der Hauptgrund für die Flucht von Dembo ist jedoch, dass Gambia seit 1994
von einem Diktator (Yahya Jammeh) beherrscht wird. Im Dezember 2014 kam
es zu einem Putschversuch. Über den Putsch will Dembo nicht reden. Nur so
viel: sein Vater hatte Probleme und er, der Sohn, musste fliehen. Das war im
Jänner 2015 …
Eine noch größere Leidensgeschichte hat Mary, eine junge Frau aus Nigeria,
hinter sich. Sie „reiste“ nach Europa, weil es ihre Eltern wollten. Ohne dass
Mary das selbst wusste, sollte sie dort auf einem der vielen Straßenstriche als
Prostituierte arbeiten. Doch sie hatte noch „Glück“ …
Aber auch das Schicksal von zwei Männern, Ahmad und Firas, die aus Syrien
vor dem Horror des Krieges geflüchtet waren, werden in dem Buch geschildert.
Beide landeten schließlich – nach einer extrem gefährlichen und nicht zuletzt
auch sehr teuren Flucht - in Großraming, einer kleinen Gemeinde in
Oberösterreich …
Im Flüchtlingsheim in Großraming befinden sich auch drei unbegleitete
minderjährige Geschwister aus Syrien , der 10-jährige Abdel Rahman, der 19-
jährige Dia und die 21-jährige Schwester Aman. Sie stammten aus Damaskus
und waren mit ihren Eltern nach Ägypten geflohen, wo sie eineinhalb Jahre in
Alexandria lebten. Nachdem Dias Pass abgelaufen war und dieser von den
syrischen Behörden nicht er-neuert wurde, gaben die Eltern ihren Kindern ihr
Erspartes mit den Worten „Baut euch in Europa eine Zukunft auf.“ Dias und
auch seine Schwester besitzen ein syrisches Abitur, haben aber aufgrund des
abgelaufenen Passes keine Chance mehr auf eine weitere Ausbildung in
Ägypten. Im Juli 2014 hatten sich die drei Geschwister schließlich auf die
lebensgefährliche Flucht nach Europa begeben ….
Die Gemeinde Großraming könnte übrigens als Vorbild für eine erfolgreiche
und humane Flüchtlingspolitik dienen. Auch hier gab es am Anfang viel Ableh-
nung und Skepsis, als im Oktober 2014 fünfzig Flüchtlinge aufgenommen
werden sollten. Doch bei einer Dorfversammlung, bei der auch Mitglieder der
Integrationsstelle des Landes Oberösterreich anwesend waren, konnten viele
Ängste und Vorurteile schließlich abgebaut werden ....
Heute werden die Flüchtlinge als Bereicherung für die Gemeinde wahrgenom-
men. Und es hat sich inzwischen die Plattform „Miteinander in Großraming“
gebildet …
Allerdings bekommt diese von der Regierung und den zuständigen Behörden
nicht viel Unterstützung. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall, wie die ehren-
amtlichen Helfer beklagen ...
Es wäre also sehr wünschenswert, wenn die Behörden auch endlich ihren Ver-
pflichtungen nachkommen - und vor allem humaner agieren - würden !! Damit
könnte viel Leid verhindert werden !! (dafür ist allerdings auch die “Weisung” bzw.
“Erlaubnis” von “oben” notwendig ...)
Und: falls dafür das nötige “Personal” fehlt, müssten eben mehr Beamte dafür
eingesetzt oder neu aufgenommen werden!! In Zeiten von hoher Arbeitslosig-
keit sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung!! (Außerdem sollte man auch
mit der Hetze gegen die Beamten aufhören. Diese leisten einen wichtigen Dienst für
die Öffentlichkeit. Früher war eine Arbeit “im öffentlichen Dienst” eine angesehene
Tätigkeit ....)
Vielleicht könnten aber auch Flüchtlinge, die sich bereits länger in Österreich
befinden und über die nötigen Fähigkeiten verfügen (und denen ja oft das Recht
auf Arbeit - und damit der lebensnotwendige Geld-Erwerb - verwehrt wird), mit
eingebunden werden. Also Hilfe von Flüchtlingen für Flüchtlinge (z.B. als
Dolmetscher, Begleitung auf Behördenwege, Deutschkurse, Kochen für die Gemein-
schaft, Spendensammlungen, allgemeine Unterstützung der Flüchtlingsbetreuer/
innen etc. ...)
Es gibt übrigens schon Überlegungen in diese Richtung. So will Gesundheits-
ministerin Sabine Oberhauser Gesundheitspersonal unter den Flüchtlingen im
Asylbereich zum Einsatz zu bringen. In Deutschland werden bereits syrische
Ärztinnen und Ärzte als BeraterInnen in Asyleinrichtungen beschäftigt.
Die im August gegründete überparteiliche "Initiative für mehr Zusammenhalt
in Österreich" begrüßt diesen Vorstoß ...
Eine interessante Idee hat in diesem Zusammenhang auch der Schauspieler
Harald Krassnitzer: Verlassene – von Landflucht betroffene – Dörfer sollen
gemeinsam mit Flüchtlingen neu belebt und für alle renoviert werden ...
Mehr zur Initiative für mehr Zusammenhalt in Österreich siehe
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150804_OTS0085/ueberparteiliche-initiative-fuer-
mehr-zusammenhalt-in-oesterreich-ins-leben-gerufen
Zum Abschluss eine Zeichnung, die mehr ausdrückt als Worte: Ein syrisches
Flüchtlingskind hat sich bei bayrischen Polizeibeamten damit bedankt. Darauf zu
sehen: schreckliche Kriegsszenen auf der einen, die Hoffnung bei der Ankunft in
Europa auf der anderen Seite. Tief bewegt stellte die Polizei das Bild auf Twitter, wo
es sofort tausendfach weiterverbreitet wurde: