Endlich war Gere der Star. Er hatte es nicht leicht gehabt beim Neustart in
Österreich. Ohne irgendjemand zu kennen. Ohne die Sprache zu können. Die
ersten Wochen in der Fußballrunde, zu der ich ihn mitnahm, wird er kaum
etwas verstanden haben. Beim gemütlichen Beisammensitzen nach dem
Kicken wurde in unterschiedlichsten Dialekten gesprochen – Oberöster-
reichisch, Vorarlbergerisch, Deutsch mit kosovarischem Akzent etc. Die
Gruppe ist bunt gemischt. Gere war da meistens zurückhaltend und zog beim
Zuhören konzentriert die Augenbrauen zusammen.
Bei den Gesprächen zu zweit erfuhr ich noch am meisten von dem Mitt-
zwanzigjährigen: Unter anderem über die schlimme Situation in Eritrea. Die
dortige Militärdiktatur isoliert sich von anderen Staaten, befindet sich mit
praktisch all seinen Nachbarn im Clinch und verpflichtet die jüngeren Gene-
rationen, jahrelang Militärdienst zu leisten. Kritik oder gar Opposition ist in
Eritrea nicht erlaubt. Die Gefängnisse sind voll – und berüchtigt.
Keine Frage, Gere liebt trotz allem sein Land und die Leute. Das sah ich am
Unabhängigkeitstag, dem 24. Mai. Jedes Jahr feiert die kleine eritreische
Community diesen Tag. Das Land ist jung, erst 1993 konnte es sich nach einem
langen Konflikt von Äthiopien abspalten.
Dass Gere tanzen kann als gäbe es kein Morgen mehr, wusste ich. Auch als DJ
habe ich ihn schon erlebt. Aber, dass er auch ein toller Sänger ist, erfuhr ich
erst an diesem 24. Mai 2013. Stundenlang begleitete er die tanzende Menge, bis
er keine Stimme hatte.
Gere hat so viele Talente, dachte ich mir damals. Hoffentlich erkennt Österreich
das und gibt ihm hier eine neue Perspektive. Bis jetzt klappt das noch nicht so
toll: Gere, der subsidiär schutzberechtigt ist, wäre gern Pfleger, hat sogar erste
Vorkenntnisse und Erfahrungen aus der Heimat mitgebracht. Obwohl gerade
bei diesem Beruf hierzulande Bedarf herrscht, haben es die – sehr wohl
bemühten – Organisationen und Behörden nicht geschafft, den Eritreer in
diese Richtung zu führen. Die Frohnatur Gere stört das zwar, wenn man mit
ihm darüber redet – aber nur kurz. Bald lächelt er wieder und verbreitet positive
Energie, so wie er als Sänger Menschen zum Tanzen bringt.
(http://stories.unhcr.org/de/richard-solder-erzhlt-geres-geschichte-p105.html)
Mein Name ist Abdi. Ich bin in Jalalaksi, Somalia, geboren. Von 2001 bis 2012
habe ich somalische Schulen besucht. Meine Familie verdiente ihr Einkommen
mit Obst und Gemüse, das sie auf ihrer Farm anbauten. Sowohl als ich geboren
wurde, als auch zu dem Zeitpunkt, an dem ich Somalia verließ, gab es keine
Regierung im Land. Als ich 15 Jahre alt war, kontrollierte die Terrororgani-
sation al-Shabaab das Dorf, in dem ich lebte. In Somalia gilt ein Mann mit 15
Jahren als erwachsen. Daher musste ich mich entscheiden, ob ich al-Shabaab
beitreten oder fliehen wollte. Da ich der letzte Sohn meiner Familie war, schick-
ten mich meine Eltern fort. Sie verkauften ihre Farm, gaben mir das Geld und
baten mich in ein anderes Land zu gehen.
Ich verließ Somalia und erkannte, dass es nur zwei Möglichkeiten für mich gab:
Sterben oder ein besseres Leben zu führen. Ich ging von Land zu Land und
passierte Äthiopien, den Sudan sowie Libyen und überquerte das Mittelmeer.
Als ich die Sahara durchquerte, musste ich mit einem Brot und einem halben
Liter Wasser pro Tag auskommen. In der Sahara wurde ich gekidnappt und
musste bezahlen, um frei zu kommen. In der Mitte der Wüste lebte ich ein-
einhalb Monate, doch ich hatte kein Geld mehr und wurde zu einem Mann
geschickt, der mit dem Auto nach Tripolis fuhr. Von Tripolis, welches ich in
zehn Tagen erreicht hatte, fuhren wir in Plastikbooten über das Mittelmeer. Die
Überfahrt dauerte fünf Tage und vor der italienischen Küste wurden wir von der
Armee gerettet.
Ich war ein paar Tage in Italien, doch man verwies mich des Landes. Mit dem
Zug fuhr ich nach Salzburg, Österreich, von wo aus ich nach Traiskirchen
gebracht wurde. Zwei Wochen später kam ich in ein Haus der Caritas, um hier
zu wohnen. Ich bin froh darüber, diese 10.000 Kilometer lange Reise ohne
Verletzung beendet zu haben. Dafür danke ich Gott. Ich wohne gerne hier und
das einzige Problem, das ich habe, ist die Unwissenheit über das Befinden
meiner Familie. Ich besuche Deutschkurse und genieße das Leben in Öster-
reich. Ich möchte hier bleiben und ich sehe und plane meine Zukunft hier.
(http://stories.unhcr.org/de/abdis-flucht-p79.html)
Weitere Flüchtlingsschicksale siehe http://stories.unhcr.org/de/