Wenige Tage nach dem bisher schwersten Flüchtlingsunglück im Mittelmeer
mit vermutlich rund 800 Todesopfern wurden Details bekannt, wie es zu der
Katastrophe gekommen ist. So soll der bereits verhaftete 27-jährige Kapitän
des Flüchtlingsschiffs betrunken gewesen sein und seit der Abfahrt in Libyen
Haschisch geraucht haben. Das berichteten laut ORF Überlebende des
Unglücks.
So habe vor allem der Zustand des Kapitäns zu dem falschen Manöver und zur
folgenden Kollision des Flüchtlingsschiffs mit einem portugiesischen Handels-
schiff geführt. Dieses war dem Notruf der Flüchtlinge gefolgt und wollte helfen.
Nach dem Zusammenstoß der beiden Schiffe sei an Bord des Flüchtlingsschiffs
Panik ausgebrochen, und das überladene Schiff kippte um, erzählten Zeugen des
Unglücks.
Vorwurf des Totschlags und der Freiheitsberaubung
Dem Kapitän werden nun vielfacher Totschlag, Verursachen eines Schiffsunter-
gangs und Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen.
Am Mittwoch erweiterte die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe. Dem Kapitän wird
nun auch Freiheitsberaubung vorgeworfen, nachdem Zeugen berichtet hatten, dass
Menschen im Laderaum des völlig überladenen Schiffes eingeschlossen gewesen
seien.
Erschwerend komme hinzu, dass auch Minderjährige davon betroffen gewesen
seien, erklärte die Staatsanwaltschaft. Am Freitag findet die erste Anhörung vor
Gericht statt.
Berichte von Misshandlung durch Schlepper
Überlebende des Unglücks erzählten, dass Schlepperbanden geplant hatten, 1.200
Menschen an Bord unterzubringen: „Sie schlugen uns, um so viele Menschen wie
möglich ins Boot zu bringen. Am Schluss waren wir 800 an Bord. Die meisten
waren im Lagerraum eingeschlossen. Nach der Kollision bin ich ins Wasser
gefallen, wo ich eine halbe Stunde lang warten musste, bis man mir ein Seil
zugeworfen hat“, berichtete ein 16-jähriger Somalier. Er konnte sich mit weiteren
drei Minderjährigen retten.
Noch vor Antritt der Reise über das Meer waren sie den Angaben der Flüchtlinge
zufolge einen Monat gefangen gehalten worden. „Wir wurden geschlagen und
bekamen kaum zu essen. Wer erkrankte, wurde sich selbst überlassen. Ich habe
viele Personen sterben sehen“, sagte der Somalier.
Er selbst wartete neun Monate in Tripolis, bevor er die Reise in Angriff nahm. Nun
will er versuchen, nach Norwegen zu reisen.
Unfassbare Brutalität
Die Staatsanwaltschaft in Catania bestätigte die Berichte am Donnerstag. Demnach
erzählten einige der Überlebenden, die Menschenschmuggler hätten noch auf dem
libyschen Festland mehrere Menschen zu Tode geprügelt und mindestens einen
Minderjährigen exekutiert. Laut den Ermittlern sagten die Überlebenden aus, 1.000
bis 1.200 Menschen seien vor der Abfahrt des Schiffes in einem leer stehenden
Gebäude nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis festgehalten worden, wo mehrere
uniformierte und bewaffnete Männer ein regelrechtes Terrorregime über sie
ausgeübt hätten.
(Quelle und gesamter Artikel: http://orf.at/stories/2275009/2274745/)