Die Wahrheit über Gaddafis
Die französische Journalistin und Korrespondentin Annick Cojean, die nach dem Sturz
des Diktators herausfinden wollte, welche Aufgabe diese berühmten Leibwächterinnen
von Gaddafi tatsächlich hatten, und zu diesem Zweck mit einigen hochrangigen Militärs
und Minister sprach, schreibt dazu in ihrem gut recherchierten Buch „Niemand hört
mein Schreien“ folgendes:
“Ussama al-Juili, der nach dem Tod des Führers ernannte Minister, Exkommandant der
Rebellentruppen in der Stadt Az-Zintan, sagte dazu: „Ich bitte Sie! Sie waren nur Show,
Unterhaltung und, wie soll ich sagen, Freizeitbeschäftigung. Das war widerlich.“ (S.197*)
Gleiche Reaktion bei Ramadan Ali Zarmuh, dem Vorsitzenden des Militärrates von
Misrata, der drittgrößten Stadt des Landes. Auch er äußerte sich verächtlich über den
„Mummenschanz“ und das „theatralische Gehabe“ nicht nur der Leibwächterinnen,
sondern aller Soldatinnen. „Arme Dinger, sage ich Ihnen! Sie kreuzten in unseren Reihen
auf, benebelt von den Reden dieses Dreckskerls, der sie nach Belieben manipulierte, um
der Welt Sand in die Augen zu streuen und seine persönlichen Gelüste zu befriedigen! Sie
waren schlecht ausgebildet, kaum trainiert, und oft besaßen sie nicht mal die Einwilli-
gung ihrer Eltern. Wie hätten die auch guten Gewissens akzeptieren können, dass ihre
Töchter in diese Männerwelt geworfen würden? In Libyen! Welche Schmach! Wir
betrachteten sie als Opfer, während er herumschwadronierte, umgeben von Konkubinen
und Marionetten, die nie in der Lage gewesen wären, ihn zu verteidigen, wenn nicht
zwangsläufig Männer hinter ihnen gestanden hätten.“
Ein radikales Urteil, und es wurde von allen Militärpersonen und Rebellen geteilt, die ich
habe befragen können. Macho-Gehabe? Sicher auch zu einem Teil, die Aufnahme von
Frauen in die Armee ist weder von der Militärhierarchie noch von der traditionellen
lybischen Gesellschaft jemals wirklich akzeptiert worden. Wobei gesagt werden muss,
dass Oberst Gaddafi auch zu viele Etappen übersprungen hatte in einem Land, wo die
Frauen in erster Linie Ehefrauen und Mütter waren und oft strikt auf das Haus
beschränkt.“ (S. 197 ff.*)
Auch die Stellvertretende Ministerin für Soziales, Najwa al-Azraq, die mit diesem Ressort
betraut war, sagte: „Die Lage der weiblichen Militärs unter Gaddafi war traurig und
trostlos. (….) Die Militärakademie war für den Führer nur ein Trick, um ihm Zugang zu
Frauen zu verschaffen. In dem Maße, wie er Wege fand, an sie heranzukommen, verlor er
das Interesse daran, und mit der Schule ging es bergab.“ (S.208*)
Tripolis über die zahlreichen Checkpoints der Stadt verteilt, um Personen und Fahrzeuge
zu kontrollieren, oder auch in die entwürdigende Lage gezwungen, mit Trillerpfeife im
Mund die langen Warteschlangen an den Tankstellen zu beaufsichtigen. Marionetten von
Gaddafi. Symbole seines Regimes.
Während des Bürgerkrieges erinnerte man sich allerdings wieder dieser
unglücklichen Frauen und schickten sie an die Front. Annick Cojean schreibt:
„Während des Bürgerkrieges allerdings, als das Regime in Bedrängnis geriet,
wurden viele von den Soldatinnen mobilisiert, die bis dahin nahezu vergessen
in den Kasernen schmorten. Manche von ihnen wurden direkt an die Front
geschickt, zusammen mit Söldnern, unter denen sich ebenfalls Frauen
befanden. Andere wurden während der Belagerung von
Gehasst von der Bevölkerung wie von den Aufständischen.
Einige desertierten auch, sie haben, wenn sie geschnappt
oder denunziert wurden, ihr Überlaufen zur Revolution
mit ihrem Leben oder der Vergewaltigung bezahlt. Und
wieder andere wurden gruppenweise in frontnahe Ab-
schnitte gebracht, um die „Wünsche“ von Bataillons-
mitgliedern zu „befriedigen“.
Das Schicksal der meisten Leibwächterinnen von Gaddafi
wird wohl im Dunkeln bleiben. Leichen, die in den Ruinen
von Bab al-Aziziya gefunden wurden, lassen vermuten,
dass mehrere von ihnen im August, in den allerletzten
Stunden des Regimes, noch liquidiert wurden. Im
Moment des Zusammenbruchs und der verzweifelten
Flucht des Diktators waren sie nutzlos geworden.“ (S.208
ff.*)