Der Ökonom Heiner Flassbeck, der ein scharfer Kritiker der Austeritätspolitik
ist, sagte zu einem GREXIT und das griechische Schulden-Drama in einem
Interview folgendes:
Frage: Wäre ein Ausstieg aus dem Euro für Griechenland eine Alternative?
Flassbeck: Das wäre auch nicht trivial. Allerdings: Das Thema sollte auch nicht
tabu sein. Aber einfach so dahinzuplappern, "So, jetzt machen wir einmal den
Grexit", ist natürlich völliger Quatsch. Ein Grexit wäre nämlich eine unglaublich
schwierige, eine unglaublich gefährliche, eine unglaublich dramatische Operation.
So einen Schritt müsste man lange vorbereiten, da bräuchte es massive Hilfen,
damit das überhaupt funktionieren kann. Bei einem Grexit bräuchte es weitere
Kapitalverkehrskontrollen, vielleicht sogar Güterschranken und Zölle.
Griechenland bräuchte zudem eine gewisse Versicherung, dass die Währung nicht
ins Bodenlose fällt, wenn eine neue Drachme eingeführt wird. Allen muss eines
klar sein: All das entspricht nicht gerade dem Geist der Europäischen Union: Zölle.
Kapitalverkehrskontrollen. Währungsstützungen.
Zuletzt verwies der Ökonom Christian Helmenstein in dieser Zeitung auf das
Beispiel Zypern. Das Land hat sechs Prozent Wachstum, das sollte doch auch
für die Griechen zu schaffen sein, meint Helmenstein.
Weder Spanien, noch Portugal, noch Zypern, noch Griechenland haben bisher
einen nachhaltigen Aufschwung geschafft. Keiner. Die Konjunkturoptimisten
verweisen auch immer auf Spanien. Die sind über den Berg, heißt es dann. Doch
das ist leider Quatsch. Weder in der Industrieproduktion, noch in der
Bauwirtschaft, noch im Einzelhandel hat sich in Spanien etwas bewegt. Es stimmt,
es gab zu einem bestimmten Zeitpunkt ein kurzes Aufflackern der Hoffnung am
Bau, aber dieser Hoffnungsschimmer ist bereits wieder verblasst. Mein Credo:
Unser grundlegendes Problem sind die Leistungsbilanzungleichgewichte und die
Austeritätspolitik.
Und wie sollen Ihrer Meinung nach diese Probleme gelöst werden?
Die Leistungsbilanzungleichgewichte bekommt man nur durch eine grundlegend
andere Lohnpolitik in den Griff. Wir hatten eine reale Lohnniveau-Abwertung in
Deutschland und eine reale Lohnniveau-Aufwertung vieler anderer europäischer
Volkswirtschaften. Deutschland hat heute über 200 Milliarden Euro
Leistungsbilanzüberschuss. Die Löhne müssen also rauf. Es braucht mehr Konsum
in Deutschland. Mehr Importe. Mehr Staatsausgaben. Und ja: mehr Schulden. (.....)
Es sind also Ihrer Meinung nach nicht nur die Griechen, sondern auch die
Deutschen schuld an der Misere?
Genau so ist es. Was wir in der Vergangenheit gesehen haben ist, dass
Lohnsenkungen die Arbeitslosigkeit nicht senken, sondern sogar erhöhen. Die
Lohnsenkungen in Griechenland, Spanien und Portugal haben dazu geführt, dass
die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Nur in Irland war das anders, aber die grüne
Insel ist ein völlig untypischer Fall.
Was ist Ihnen am Sonntag des griechischen Referendums durch den Kopf
gegangen?
Mein erster Gedanke: Bravo Griechenland. Natürlich war es gut, dass das Volk
wenigstens gezeigt hat, dass es hinter Syriza steht. Jetzt werden wir ja sehen, wie
brutal unsere Austeritätspolitiker sind, ob sie weiter an ihrem Kurs festhalten.
Wenn sie das freilich tun, dann beerdigen sie Europa. Totgemacht haben sie
Europa ja schon fast, aber dann bekommt der Kontinent noch ein Armenbegräbnis.
Die Botschaft der Griechen war unmissverständlich: Die Medizin, die die Troika
verschrieben hat, wirkt nicht. Es braucht einen anderen Therapie-Ansatz.
Wo steht Deutschland Ihrer Meinung nach?
Deutschland will eine dumme Doktrin durchsetzen.
Man muss den Gürtel immer enger schnallen. Wenn der Gürtel dann richtig eng
ist, dann geht es einem danach richtig gut. Die deutsche Sozialdemokratie ist da
übrigens um kein Jota besser als die CDU. SPD-Parteivorsitzender, Stellvertreter
der Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, hat beschlossen,
auch er möchte ein guter Christdemokrat sein.
Welche Rolle hat die EZB gespielt?
Die EZB unter Mario Draghi ist nicht mehr die EZB von Jean-Claude Trichet. Die
Notenbanker in Frankfurt haben natürlich diesen Troika-Unsinn mitgemacht, aber
nie in der ersten Reihe. Dorthin haben sie stets den Internationalen Währungsfonds
vorgeschoben. Genau deswegen ist die deutsche CDU jetzt auch ganz wild darauf,
den IWF im Boot zu behalten. Mit dem IWF glauben sie, die richtigen Hardliner
zu haben.
Die deutsche Kanzlerin steht aber auf dem nicht ganz von der Hand zu
weisenden Standpunkt, sie habe vor allem die Interessen ihrer Wählerinnen
und Wähler, die Interessen der deutschen Finanzindustrie und der deutschen
Wirtschaft im Blickfeld zu haben. Warum sollte Kanzlerin Angela Merkel ihren
Sanktus zu einem Schuldenschnitt für Griechenland geben?
Weil sonst alles nur noch schlimmer wird. Aber Athen braucht nicht mal den
Schuldenschnitt. Man kann die Schulden für 100 Jahre in die Bücher schreiben und
erst mal vergessen, dann braucht auch niemand etwas abzuschreiben. Sicher ist:
Griechenland braucht frisches Geld.
Quelle und gesamter Artikel: http://www.wienerzeitung.at/dossiers/griechenland
_schuldenstreit/?em_cnt=762094