Die Bilanz der letzten Protestwelle im Iran: Rund 21 Tote und mindestens 450
Verhaftete. Während Donald Trump sofort reagierte und seine Solidarität mit den
Demonstranten bekundete, gab sich die Bundesregierung zögerlich. Doch warum
eigentlich?
US-Präsident Donald Trump reagierte sofort: „Unterdrückerstaaten können nicht
für immer Bestand haben. Der Tag wird kommen, an dem das iranische Volk eine
Wahl haben wird. Die Welt schaut zu!“, twitterte er am 30. Dezember.
Erst vier Tage später, am 3. Januar, gab es eine Reaktion seitens der deutschen
Bundesregierung: „Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklungen im Iran mit
Besorgnis, insbesondere die Berichte über Todesopfer und zahlreiche Verhaf-
tungen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die
iranische Regierung sollte auf die Proteste „mit der Bereitschaft zum Dialog“
reagieren.
Deutsch-iranische Wirtschaftsbeziehungen erschweren offene Kritik
Die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen erschwerten eine offene Kritik,
heißt es in einem Artikel von „N-TV“ vom 31. Dezember. Denn nach der Unter-
zeichnung des Atomdeals im Jahr 2015 wurden die Sanktionen gegen den Iran
gelockert. Daraufhin reiste Sigmar Gabriel als damaliger Bundeswirtschafts-
minister als erster westlicher Regierungsvertreter in den Iran. Sein Ziel: Wirt-
schaftskontakte knüpfen. Durch den Handel und mit einer Öffnung zum Westen,
so hoffte man in Deutschland, könnte die iranische Zivilgesellschaft nur profitieren
– ein „Wandel durch Handel und Annäherung“ also.
Menschenrechtslage wurde nach Atomdeal schlimmer
Doch die Rechnung ging nicht auf, schreibt Ali Fathollah-Nejad auf „Qantara“.
Fathollah-Nejad ist Iran-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige
Politik.
Der Iran halte sich laut der internationalen Atomenergiebehörde IAEA zwar an den
Atomdeal, doch die Menschenrechtssituation habe sich unter Rohani – der in den
internationalen Medien als Reformer dargestellt wird – sogar noch verschlimmert,
so Nejad.
Die Anzahl der Exekutionen erreichte ein neues Rekordhoch, die Korruption nahm
zu und die Bevölkerung wurden von den Handelsverträgen mit dem Westen außen
vorgelassen.
Geld floss nur in die Hände politischer Eliten
Doch wo floss das Geld hin? – Fast ausnahmslos in die Hände der iranischen
Regierung, meint Fathollah-Nejad. Konkret heißt das: Von den abgeschlossenen
Handelsverträgen profitierten „die Wirtschaftsimperien der Revolutionswächter,
des Obersten Führers Ali Khamenei sowie der Bonyads, steuerbefreite islamische
Stiftungen“, so der Iran-Experte weiter.
Nach dem Atomabkommen wurden für 107 abgeschlossene Wirtschaftsverträge
die US-Dollar-Milliardenhöhe öffentlich gemacht, schrieb die Nachrichtenagentur
„Reuters“ im Januar 2017. Diese Verträge brachten dem Iran 81,7 Milliarden US-
Dollar, von denen 67,1 Milliarden Dollar an staatliche Unternehmen oder Instan-
zen gingen. Nur 17 Verträge im Umfang von 14,6 Milliarden Dollar wurden mit
dem privaten Sektor geschlossen.
Das hängt vor allem damit zusammen, dass im Iran – ähnlich wie in sozialistischen
Staaten – die Schlüsselindustrien wie z. B. der Außenhandel, der Bergbau, die
Bankgeschäfte, etc., sich in der Hand der Regierung befinden, wie es auf der Seite
des „Bundesverbands mittelständische Wirtschaft“ (BVMW) zum Iran heißt.
Außerdem folgt die Wirtschaftspolitik Jahresplänen, die alle fünf Jahre beschlos-
sen werden. Der Momentane Fünf-Jahresplan wurde 2017 erlassen, so der BVMW.
Auf diese Weise profitierte fast ausschließlich der autoritäre Staat von dem Atom-
deal – die Eliten bereicherten sich an der Bevölkerung vorbei.
Großteil der Bevölkerung ist politisch unmündig
Zudem bleibe „der Großteil der Bevölkerung politisch unmündig und ihr Schicksal
liegt in den Händen einer ausschließlich islamistischen Elite. Das Potential für
Unruhen und Aufstände ist somit gegeben“, schrieb Fathollah-Nejad bereits im
August letzten Jahres.
Um dies zu verhindern, sollten die Iran-Geschäfte an Menschenrechte
gekoppelt werden, schlug der Iran-Experte damals vor. „Denn nur durch eine
Harmonisierung der Außenpolitik mit einer Entwicklungspolitik, die das Wohl der
Bevölkerungsmehrheit im Blick hat, kann die Politik gegenüber diesem wichtigen
Land auf eine nachhaltige Grundlage gestellt werden“, meinte er.
Auch sollte die iranische Regierung aktiv werden und Wirtschaftsreformen ein-
leiten. Damit würde der Wirtschaftswachstum im Iran nicht an der Bevölkerung
vorbeigehen, so Fathollah-Nejad.
Lebenshaltungskosten schoßen in die Höhe
Doch dies ist nicht geschehen, ganz im Gegenteil: Obwohl die Inflation seit
Rohanis Amtsantritt auf rund 8 Prozent fiel, schoßen die Lebenshaltungskosten in
die Höhe, so der geopolitische YouTube-Kanal „CaspianReport“. Vor den Protes-
ten waren die Preise für Lebensmittel und Benzin im Iran massiv angestiegen. Die
Menschen beschwerten sich über nicht ausgezahlte Gehälter, unerlaubt erhobene
Gebühren auf Kredite, willkürliche Entlassungen und Korruption im Alltag,
schrieb Fathollah-Nejad letzte Woche.
Auch zeigten die schweren Erdbeben im Westen des Landes, die Mitte November
stattgefunden hatten, wie zögerlich die Rohani-Regierung Hilfe für die Menschen
anbot und damit „viele buchstäblich in der Kälte stehen ließ“, so der Iran-Experte.
Proteste waren uneinheitlich
Als die Menschen am 28. Dezember schließlich in Maschhad auf die Straße
gingen, seien Proteste in anderen Städten des Landes laut „CaspianReport“ durch
die sogenannten Hardliner in der Regierung angeheizt worden. Ihr Ziel war es,
Rohani und seine moderaten Anhänger in Verruf zu bringen.
Dieser Versuch ging jedoch nach hinten los, da Bilder und Aufnahmen der Proteste
sich rasch in den sozialen Netzwerken verbreiteten und so noch mehr Menschen
auf die Straße trieben – die Hardliner verloren schnell die Kontrolle über die
Demonstrationen.
Was als ein Protest gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise begann, wurde
schnell uneinheitlich.
Denn während im konservativen Maschhad die Menschen „Tod für Rohani“ riefen,
war der Slogan im liberalen Teheran „Tod dem Diktator“ und „Tod den Mullahs“.
Andere Demonstranten riefen hingegen: „Lasst Syrien fallen, denkt an uns!“.
Es gab sogar einen Fall, in dem die Flagge der Islamischen Republik verbrannt
wurde.
Laut „CaspianReport“ können diese widersprüchlichen Demonstrationen weder als
eine einzelne Bewegung noch als Revolution bezeichnet werden. Denn die Proteste
waren im Gegensatz zu der „Grünen Bewegung“ im Jahr 2009 relativ klein, nicht
koordiniert, hatten kein gemeinsames Ziel und auch keinen gemeinsamen
Anführer.
Die iranische Führung – Moderate und Hardliner zugleich – reagierte sofort: Die
Messaging und Foto-Video-Apps Telegram und Instagram wurden teilweise ge-
sperrt und regierungstreue Gegenproteste organisiert.
Nach neuesten Entwicklungen will die iranische Justiz die sozialen Medien im Iran
sogar ganz abschaffen. „Diese Medien verbreiten nicht nur Inhalte gegen die
innere Sicherheit des Landes, sondern auch gegen die islamischen Werte“, sagte
der Vizegeneralstaatsanwalt Abdul-Samad Chorramabadi am Mittwoch.
30 Prozent der industriellen Infrastruktur im Iran stammen aus Deutschland
Aber kommen wir nun wieder zurück zu Deutschland und seiner Beziehung zum
Iran. Laut dem Auswärtigen Amt seien die deutsch-iranischen Wirtschaftsbezie-
hungen „traditionell eng“. Um die 30 Prozent der industriellen Infrastruktur im
Land stammen aus deutscher Herstellung.
Die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern waren seit 2007 nach den
internationalen Sanktionen gegen den Iran rückläufig. Seit 2014 entwickeln sie
sich aber wieder positiv, so das Auswärtige Amt.
Das Handelsvolumen 2015 betrug 2,4 Milliarden Euro, dabei exportierte Deutsch-
land vor allem Maschinen, mechanische Geräte, Kraftfahrzeuge und pharmazeu-
tische Produkte in den Iran. Im Jahr 2016 betrug das deutsch-iranische Handels-
volumen 2,9 Milliarden Euro – Tendenz steigend.
Sigmar Gabriel war übrigens damals als Außenminister dafür, Atomabkommen
und Menschenrechte nicht miteinander zu vermengen ....
Nur die Annullierung des Atomabkommens dem bilateralen Handel mit dem Iran
einen Riegel vorschieben.
von Anna Samarina, 12.1.2018
Quelle und gesamter Artikel: http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/proteste-im-iran-
21-tote-und-ueber-450-verhaftete-warum-reagierte-die-bundesregierung-nur-zoegerlich-
a2319128.html?latest=1