Tatsächlich hat sich das christliche Abendland in den vergangenen Jahr-
hunderten oftmals ebenso barbarisch verhalten, wie heute die IS-Terroristen
dem christlichen Westen gegenüber. So waren es „keine Muslime, die den
Ersten und Zweiten Weltkrieg mit fast 70 Millionen Toten anzettelten“, wie
Tödenhofer richtig schreibt. „Und es waren kein Muslime, sondern wir
Deutsche, die zehn Millionen Slaven und sechs Millionen Juden, Mitbürger,
Nachbarn und Freunde, feige und schändlich ermordeten. Wann haben unsere
sogenannten christlichen Politiker dem Christentum, dieser wunderbaren
Religion der Liebe, Ehre gemacht? Wann und wo haben wir unsere Bruder-
religionen Judentum und Islam mit Respekt und Liebe behandelt?“
Ok, werden nun einige sagen: das war in der Vergangenheit, im vorigen
Jahrhundert oder im „finsteren Mittelalter“. Damals gab es noch keine
Demokratie in Europa und den USA, keine Aufklärung und keine Menschen-
rechts-Charta.
Das ist zum Teil richtig. Und der heutige, moderne „Normalbürger“ wäre
sicherlich auch nie zu solchen Grausamkeiten fähig.
Doch wir sollten nicht vergessen, dass unsere Regierungen, Politiker und
andere „Eliten“, teilweise immer noch genauso menschenverachtend handeln
wie in diesen „längst vergangenen Zeiten.“
So weist Todenhöfer darauf hin, dass kein einziges Mal in den letzten 200
Jahren ein arabisches Land ein westliches Land angegriffen hat: „Angreifer
waren immer die europäischen Großmächte. Millionen arabische Zivilisten
wurden dabei brutal ermordet. Das Gerede von der Grausamkeit der Muslime
stellt alle Fakten auf den Kopf. Der Westen war viel grausamer als sie.“
Und anscheinend war es vom Pentagon bereits kurz nach 9/11 geplant,
„Schurkenstaaten“ wie Irak, Libyen, Syrien und den Iran angreifen zu wollen:
“Ex-NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark berichtete, man habe ihm kurz nach
9/11 im Pentagon eine geheime Liste mit sieben Schurkenstaaten gezeigt, die
man in den nächsten fünf Jahren angreifen wolle. Darunter Irak, Libyen, Syrien
und Iran. Bushs Kriegstreiber wollten sich die einmalige Gelegenheit der
Terroranschläge des 11. September nicht entgehen lassen. Sie wollten in den
Worten von Clark die Gunst der Stunde nutzen, um mit mehreren Kriegen „den
Mittleren Osten zu destabiliseren, auf den Kopf zu stellen und dann zu kontrol-
lieren.“ Ehrenwerte Gründe würde man schon finden. Die westliche Öffent-
lichkeit tut sich schwer, ein derart zynisches Spiel der westlichen Politik zu
durchschauen. Sie glaubt wirklich, wir seien „die Guten“. Das Feindbild Islam,
jahrhundertelang vom Westen gezeichnet, hat sich tief eingeprägt. Doch es ist
ein manipuliertes Bild.“ (Todenhöfer* S. 20ff.)
In „Feindbild Islam – Thesen gegen den Hass“ bezieht Jürgen Todenhöfer
Stellung zum „muslimischen Terrorismus“ und zum „Anti-Islamismus“ unserer
Tage. Sein Fazit: Auch diesen Terrorismus werden wir nur überwinden, wenn
wir seine tieferen Ursachen beseitigen. Und die liegen vor allem in der
menschenverachtenden Art, mit der der Westen seit langem mit dem Islam
umgeht. Erst wenn wir die muslimische Welt genauso fair behandeln, wie wir
selbst behandelt werden wollen, werden wir die Gewalt terroristischer
Minderheiten überwinden.