Todenhöfer beschreibt das Interview mit Abu Qatadah über die grundsätzlichen Ziele
des IS folgendermaßen:
JT: Abu Qatadah, was ist die Motivation dafür, dass Sie heute nicht in Deutschland
sind, sondern hier als Kämpfer im „Islamischen Staat“?
Abu Qatadah: Der erste Grund der Motivation, warum ich und auch alle anderen
Deutschen oder Europäer hier sind, ist als Erstes Allah, subhanhu wa ta’ala. Also, um
Ihm zu gehorchen, denn es ist ein Befehl von Allah, subhanhu wa ta’ala, und darüber
sind sich die Gelehrten einig, dass die Hijra (Auswanderung) zum Islamischen Staat
Pflicht ist. Und dass die Auswanderung von jedem vollzogen werden muss und dass
dieser Staat von jedem unterstützt werden muss. Und deswegen sind wir diesem
Aufruf nachgekommen und haben die Auswanderung hierhin vollzogen. Und nun sind
wir hier.
Sind Sie in Deutschland diskriminiert worden als Muslim?
Ich denke, jeder kann sagen, oder jeder hat seine eigene Geschichte, und natürlich
auch ich, dass das Zusammenleben mit den Kufar (Nichtmuslime. Im Westen häufig
und falsch als „Ungläubige“ übersetzt) in Deutschland nicht möglich ist. Weil der
einzige Grund, dass man vielleicht im Land der Kufar sein kann, ist, dass man seine
Religion frei ausleben kann. Und der Grund einer freien Auslebung ist nicht das
fünfmalige Gebet am Tag oder das Fasten im Ramadan, sondern ist das Schlachten
beispielsweise und die islamische Heirat und so weiter. Und dies wird alles in
Deutschland nicht anerkannt, und somit ist jeder Muslim diskriminiert, ja, und nicht nur
ich selber. Aber natürlich haben wir auch Diskriminierung von der Polizei oder von
Staatsmächten erfahren.
Was sind die Ziele des „Islamischen Staates“, wenn Syrien, große Teile von Syrien, und
Irak erobert sind? Ist das alles, oder geht es dann weiter?
Das Ziel des Islamischen Staates in erster Linie ist, die Shariah von Allah zu etablieren.
Sei es im Irak, in Syrien. Wir haben jetzt einige Expansionen erlebt nach Libyen, nach
Sinai, in Ägypten, nach Jemen und auf die Arabische Halbinsel im sogenannten Saudi-
Arabien. Und natürlich, wir sagen, wir haben keine Grenzen, sondern wir haben nur
Fronten. Das heißt, die Expansion wir nicht stoppen.
Das heißt, Sie wollen eines Tages auch Europa erobern?
Nein, nein, wir werden eines Tages Europa erobern! Nicht nur wir wollen, wir werden,
da sind wir uns sicher.
Wie ist die Rolle der einzelnen Religionen im „Islamischen Staat“? Welche Rechte
haben Christen und Juden?
Juden und Christen, und manche Gelehrten sagen, auch die Feueranbeter
(z.B.Jesiden), haben die Möglichkeiten, im Islamischen Staat die Jizya zu zahlen, die
Kopfsteuer oder die Schutzsteuer. Und wenn sie diese zahlen, sie haben natürlich
Schutz vor und auch Schutz in ihrer Religion. Alles, was in ihrer Religion ist, darf
ausgelebt werden. Aber Fakt ist, sie haben Schutz, sie können in Ruhe leben. Wenn
nicht, werden sie alle getötet.
Getötet?
Ja, oder vertrieben. Wie in Mosul beispielsweise. Sie hatten drei Tage Zeit, die
Schutzsteuer zu zahlen, sie haben sich dagegen entschieden, und sie sind alle
abgehauen.
Und was gilt für Schiiten? Wir haben mindestens 150 Millionen Schiiten in der Welt, im
Irak, im Iran, was geschieht mit denen?
Die Schiiten, wir betrachten die als Rafidah, also Murtadin.
Abtrünnige?
Abtrünnige. Richtig. Und die haben eine Möglichkeit. Abu Bakr Al Baghdadi hat zu
jedem gesagt, der in die Ridda, die Abtrünnigkeit, gefallen ist. Solange wir keine Macht
über ihn haben und er Tauba macht, also wenn er Reue zeigt, wir werden seine Reue
akzeptieren. Egal, wie viele er von uns getötet hat, auch wenn er Hunderte von uns
getötet hat. Wir werden seine Reue akzeptieren. Wir werden ihn als Bruder
aufnehmen, als Muslim. Wenn er das nicht macht, wir werden ihn töten. Und für die
Schiiten gibt es keine Möglichkeit der Schutzsteuer oder sonst irgendwas, sondern
nur den Islam, oder das Schwert.
Und wenn sich die Schiiten Iraks und die Schiiten Irans, die 150 Millionen, die es auf
der Welt gibt, weigern zu konvertieren, dann heißt das, sie werden getötet?
Ja, genauso wie wir das …
150 Millionen?
150 Millionen, 200 Millionen, 500 Millionen, uns ist die Anzahl egal.
Werden Sie dann alle Muslime in Europa, die sich Ihrem Glauben nicht anschließen,
töten?
Der, der sich unserem Glauben nicht anschließt, der schließt sich dem Islam nicht an.
Und wenn er auf seinen Irrwegen beharrt, dann gibt es natürlich auch keine andere
Wahl – außer das Schwert.
Töten?
Definitiv.
Das sind sehr harte Aussagen, die Sie da treffen.
Das sind nicht die Aussagen, die ich treffe, sondern das ist das Urteil des Islam, was
über diese Leute gesprochen wird, und das Urteil der Abtrünnigkeit, und jeder
Abtrünnige wird getötet.
In Deutschland gibt es ja viele Sorgen, und in Amerika und in England, dass es
Anschläge von Ihren Anhängern geben wird. Anschläge gegen deutsche Christen,
deutsche Muslime. Ist damit zu rechnen in nächster Zeit?
Ob damit zu rechnen ist, das kann ich Ihnen natürlich nicht sagen. Deutschland,
Amerika, Europa, England, wie die ganzen Länder auch heißen, bekämpfen den
Islamischen Staat. Sie wissen von der Koalition. Alle diese Länder sind klassifiziert als
Dar al-Harb, Länder des Krieges, mit denen wir im Krieg stehen. Und die müssen
damit rechnen, dass dort auch gekämpft wird. Hitler hat den Kampf in die Sowjetunion
getragen damals, und danach hat die Sowjetunion den Kampf nach Deutschland
getragen. Und das ist was ganz Normales.
Also, als so sehr normal sehen wird das nicht an. Muss man in absehbarer Zeit mit
Anschlägen des „Islamischen Staates“ in Deutschland rechnen?
Die Sache ist, ob Sie das als normal ansehen oder nicht, das interessiert uns herzlich
wenig. Weil Sie bekämpfen uns, der deutsche Staat besonders bekämpft uns. Er hat
Waffenlieferungen an die Peschmerga gemacht und hat die Murtadin in etlichen
Regierungen ausgestattet und so weiter. Und bekämpft den Islam schon seit sehr,
sehr langer Zeit. Mindestens seit Nur ad-Din Zengi oder seit Salah-du-Din Ayubi und
so weiter und so weiter. Und deswegen, die müssen sich darauf gefasst machen.
Definitiv.
Dass es Anschläge gibt? Größere Anschläge oder Anschläge von einzelnen Personen?
Wie Abu Mohammad Al Adnani gesagt hat, unser offizieller Sprecher des Islamischen
Staates. Er hat einen Aufruf an Muslime im Westen gemacht, die unter den Kufar
leben und so weiter. Überprüft eure Loyalität und eure Lossagung. Die Lossagung von
den Kufar und die Loyalität zu den Muslimen. Wie könnt ihr dort in Ruhe schlafen,
während wir hier bebombt werden von den Amerikanern? Und wie die Regierungen
den Kampf gegen den Islam unterstützen und so weiter. Deswegen sagt er, ungefähr,
nehmt Bomben, sprengt sie in die Luft oder stecht sie ab mit dem Messer, und wenn
ihr das nicht könnt, dann spuckt ihnen wenigstens ins Gesicht.
Sind das eher Rückkehrer, die jetzt vom „Islamischen Staat“ nach Deutschland
zurückkehren, die die Attentate machen könnten?
Ob das Rückkehrer sind, weiß ich nicht. Fakt ist, die Rückkehrer sollten auf jeden Fall
Reue machen, wegen ihrer Rückkehr vom Islamischen Staat.
Also, die Rückkehrer sind nicht Ihre engsten Verbündeten?
Ob das unsere engsten Verbündeten sind … Was ihre Rückkehrgründe sind, das weiß
ich ja nicht. Ich hoffe nicht, dass sie sich losgesagt haben vom Islamischen Staat und
dass sie ihre Religion überprüfen. Und dass sie, wie gesagt, Reue machen von der
Rückkehr, von der Abreise vom Islamischen Staat. Und wir hoffen natürlich, dass sie
sich besinnen und weiter für den Islam kämpfen, egal, wo sie sind.
Sie sind umstanden von Kämpfern, die Mosul im August mit erobert haben. Es waren
fast 30.000  irakische Soldaten. Wie viele IS-Kämpfer haben diese knapp 30.000
irakische Soldaten besiegt?
Also, wie viele das genau sind, ich glaube, das kann keiner letztendlich genau sagen.
Größenordnung?
Wir haben Zahlen von 183 bis 200, bis 300, bis 500. Selbst wenn es 1.000 waren oder
2.000. Die Zahl ist immer noch sehr, sehr gering, um gegen diese Leute zu kämpfen.
Wir gewinnen nicht durch Waffen oder Anzahl von Männern, sondern wir gewinnen
durch Allah, subhanhu wa ta’ala, und durch die Furcht in den Herzen unserer Feinde.
(Von einem anderen IS-Kämpfer erfuhr Todenhöfer mehr Details. Dieser sagte, dass
die Eroberung von Mosul eine lang geplante Operation gewesen sei: „Jahrelang haben
wir in Mosul so viele Märtyrer-Operationen durchgeführt, bis sich niemand in Mosul
mehr sicher gefühlt hat.“ Immer wieder habe es Anschläge gegeben. „Sogar auf ihre
Trauerfeiern haben wir Selbstmordattentäter geschickt.“ Die Schiiten hätten am Ende
nur noch Angst gehabt. „Deswegen konnten wir Mosul so leicht erobern.“ (S.260)
Kämpft der Kalif an den Fronten, an denen Sie zurzeit kämpfen, kämpft Ihr Kalif mit?
Natürlich. Es gibt Fronten, wo Abu Bakr Al Baghdadi mitkämpft. Denn wir haben
Anführer, die ihr Volk nicht belügen, sondern wir haben Anführer, die dazu stehen, was
sie sagen. Und natürlich Abu Mohammad Adnani und andere Führer, Abu Bakr Al
Baghdadi und so weiter und so weiter, kämpfen natürlich in den Schlachten mit, und
das auch an vorderster Front. Weil sie wollen, genauso wie alle anderen Kämpfer
auch, die SChahada haben, das Märtyrertum, und zu Allah, subhanhu wa ta’ala,
zurückkehren.
Sie, der „Islamische Staat“, haben in teilweise spektakulärer Form Menschen geköpft
und haben das gefilmt. Sie haben die Sklaverei eingeführt, haben Jesiden versklavt.
Finden Sie, dass das Köpfen von Menschen und die Sklaverei ein Fortschritt sind für
die Menschheit?
Ein Fortschritt oder wie auch immer. Ich denke, es wird niemals eine Menschheit
geben, ohne dass diese Sachen passiert sind. Und das ist ein Teil von unserer
Religion, um den Kufar die Angst zu lehren, die sie vor uns haben sollten. Und wir
werden weiterhin Menschen köpfen. Egal, ob das Schiiten sind, ob das Christen oder
Juden sind oder sonst irgendetwas. Wir werden das weiterhin praktizieren. Und die
Leute sollten darüber nachdenken. James Foley und wie sie alle heißen sind nicht
gestorben, weil wir den Kampf angefangen haben, sondern sie sind gestorben, weil
ihre ignorante Regierung ihnen nicht geholfen hat.
Empfinden Sie Sklaverei als einen Fortschritt?
(Lacht) Definitiv. Ein Fortschritt, eine Hilfe und so weiter. Sklaverei hat es immer
gegeben. Hat es unter Juden und Christen gegeben.
Aber wurde abgeschafft.
Nur weil irgendwelche ignorante Menschen sich denken, dass es abgeschafft wurde.
Im Westen gibt es immer noch Sklaverei, das wissen die Leute immer noch. Da gibt es
Prostitution mit Frauen, die gezwungen werden, und so weiter. Unter übelsten Beding-
ungen. Die Sklaverei im Islam hat Rechte, und wenn die Sklaven zum Beispiel zum
Islam übertreten oder so weiter, es gibt viele, die befreit wurden. Und wir lehren den
Islam, und wir lehren sie eine gute Sache, und wir haben Moral, und … wir haben …
(stockt)
….Glauben?
Nicht nur Glauben, natürlich auch Glauben, aber halt auch viele andere Dinge, die uns
an Regeln halten lässt. Und eine Sklavin, eine Kafira, in den Händen von Muslimen ist
besser als eine Kafira, die einfach frei irgendwo draußen rumläuft und macht, was sie
will, rumhurt oder sonst irgendetwas.
Sie waren deutscher Protestant. Sie wurden Muslim und sind jetzt hier im „Islamischen
Staat“. Wir sind hier in Mosul, das Sie erobert haben. Meine Frage ist: Werden Sie
eines Tages nach Deutschland zurückkehren?
Dank sei Gott. Allah hat mich rechtgeleitet und hat mir die Hijra gwährt, die
Auswanderung aus Deutschland. Wir haben das mehrere Male probiert. Letztendlich
hat es geklappt. Nach Sham, zum Islamischen Staat. Und wir sind ein Teil des
Islamischen Staats, um diesen aufzubauen. Ob ich zurückkehre nach Deutschland,
das weiß ich nicht. Das weiß nur Allah. Aber wir werden definitiv zurückkehren, und
das wird nicht mit Freundlichkeiten sein oder sonst irgendetwas, sondern das wird mit
einer Waffe sein und mit unseren Kämpfern. Und wer den Islam nicht annimmt oder
die Jizya nicht zahlt, den werden wir töten.
Das also war das Interview. Abu Qatadah blickt triumphierend auf die anderen IS-
Kämpfer, die ihn beglückwünschen. Vor allem die zwei jungen Mosul-Eroberer, die uns
vorhin am liebsten an Ort und Stelle enthauptet hätten, strahlen ihn an und heben den
rechten Daumen. Abu Qatadah ist für sie ein tapferer Deutscher. Wir aber sind Feinde.
Quelle: Jürgen Todenhöfer, “Inside-IS - 10 Tage im “Islamischen Staat”,
                 2015 C.Bertelsmann Verlag, 14. Auflage, S.243ff.