Der Kinderschutzgipfel hat am 21.2. begonnen. Er soll nach Angaben der
Organisatoren eine „richtige Wende“ in der seit Jahrzehnten anhaltenden Krise
bringen. „Die katholische Welt muss verstehen, dass Bischöfe weltweit Ver-
antwortung tragen für das, was getan wurde“, sagte der US-Kardinal Blase
Cupich.  Vatikan-Sprecher Alessandro Gisotti betonte im Vorfeld: „Es braucht
das Engagement aller, dem Monster ins Auge zu schauen.“ Weltweit werden
seit Jahren immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch, aber auch andere
physische und psychische Gewalttaten bekannt - verübt hauptsächlich von
„Männern Gottes“. Aber auch Misshandlungen in von Ordensfrauen geführten
Einrichtungen wurden bekannt...
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat nun während der Konferenz die
Anwendung des „päpstlichen Geheimnisses“ bei kirchlichen Prozessen
gegen Missbrauchstäter infrage gestellt und öffentliche Verfahren gefor-
dert.  Auch der juristische Grundsatz der Unschuldsvermutung für die
Beschuldigten widerspreche nicht der Forderung nach Transparenz. Nur ein
transparentes, öffentliches und klar geregeltes Verfahren ist der „beste Sicher-
ungsmechanismus gegen Vorurteile oder falsche Beurteilungen eines Falls“.
Weil es im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen auch zu einem Machtmiss-
brauch im Bereich der Verwaltung gekommen sei, plädierte der deutsche
Bischof für die Einrichtung kirchlicher Verwaltungsgerichte. Marx erinnerte
daran, dass nach Missbrauchsermittlungen Akten vernichtet oder erst gar nicht
erstellt wurden. „Nicht die Täter, sondern die Opfer wurden reglementiert und
ihnen wurde Schweigen auferlegt. Festgelegte Verfahren und Prozesse zur
Verfolgung von Vergehen wurden außer Kraft gesetzt. Die Rechte der Opfer
wurden gleichsam mit Füßen getreten und sie der Willkür Einzelner ausge-
liefert“, führte der Kardinal aus...
(Als „päpstliches Geheimnis“ werden strenge Geheimhaltungsnormen für bestimmte
Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche bezeichnet. Ihre Ver-
letzung steht unter Strafe. Der Geltungsbereich wurde 1974 neu geregelt. Heute wer-
den vom „päpstlichen Geheimnis“ vor allem Vorgänge bezüglich der Ernennung
neuer Bischöfe sowie die juristischen Verfahren nach Anzeigen des sexuellen Miss-
brauchs von Minderjährigen geschützt. Auch die geltende Norm aus dem Jahr 2001
mit dem Titel „Sacramentorum sanctitatis tutela“ stellt Missbrauchsverfahren in
Artikel 30 unter das „päpstliche Geheimnis“. Kritiker des kirchlichen Umgangs mit
Missbrauchsfällen hatten wiederholt das „päpstliche Geheimnis“ als eine Ursache
für die Vertuschung in Missbrauchsfällen bezeichnet.) ...
Ergebnis:  In seiner Abschlussrede am 24.2. kündigte der Papst keine
konkreten Maßnahmen an. Er verwies auf Leitlinien der Weltgesundheitsor-
ganisation (WHO) zum Schutz von Kindern, an denen sich die katholische
Kirche orientieren wolle. Wenn die Kirche auf ihrem „gesetzgeberischen Weg“
diesen Leitlinien folge, müsse sie sich auf Aspekte wie Kinderschutz, die
Auswahl und Ausbildung von angehenden Priestern und die Begleitung von
Betroffenen konzentrieren, sagte der Papst. Der Vatikan teilte am Sonntag mit,
ein „Motu proprio“, also eine Art kirchenrechtliche Entscheidung des Papstes,
soll in „unmittelbarer Zukunft“ zum Schutz von Minderjährigen verkündet
werden...
Missbrauchsopfer haben sich über die Rede des Papstes schwer enttäuscht
gezeigt. Konkrete Maßnahmen gibt es keine. Sie sprechen daher von „leeren
Worten“. Kardinal Christoph Schönborn ortet dagegen einen „Qualitäts-
sprung“...
Hier ein Hintergrundbericht zum sexuellen Mißbrauch innerhalb der
katholischen Kirche. Zeugen sagen, es gab einen regelrechten Verleih von
„Lustknaben“ aus Kinderheimen...
25.2.2019
Kardinal Marx
Anti-Missbrauchs-Gipfel
          im Vatikan