Die Journalistin Masha Gessen„ die 1967 in der Sowjetunion geboren wurde und 1981 in die
USA emigrierte (und jetzt wieder in Moskau lebt), schreibt dazu:
„Stellen Sie sich einen Jungen vor, der davon träumt, KGB-Offizier zu werden, wenn alle
anderen Kosmonauten werden wollen“, sagte Geworkjan zu mir. Sie wollte verdeutlichen, wie
seltsam Putins Leidenschaft auf sie wirkte.
Ich fand das nicht gar so weit hergeholt: In den Sechzigerjahren war die sowjetische Führung
sehr bemüht, ein romantisches, ja, sogar schillerndes Bild der Geheimpolizei zu zeichnen. Als
Wladimir Putin zwölf war, wurde ein Roman mit dem Titel „Der Schild und das Schwert“ zum
Bestseller. Sein Protagonist war ein sowjetischer Geheimagent, der in Deutschland arbeitete.
Als Putin 15 war, wurde der Roman als Mini-Serie fürs Fernsehen bearbeitet, die sich großer
Beliebtheit erfreute. 43 Jahre später traf sich Putin als Ministerpräsident mit elf russischen
Spionen, die man aus den USA ausgewiesen hatte. In einem Anflug von Kameraderie und
Nostalgie sangen sie gemeinsam den Titelsong der Serie.
„Als ich in der neunten Klasse war, wurde ich von Filmen und Büchern beeinflusst, und in mir
reifte der Wunsch, für den KGB zu arbeiten“, erzählte Putin seinen Biografen. „Daran ist nichts
Besonderes.“ (Gessen*, S.69) 
Es könnte jedoch noch einen Grund dafür geben, warum Vladimir Putin gerade diesen
Berufswunsch hatte.
Sein (Stief?)Vater Wladimir war gemäß Masha Gessen während des Zweiten Weltkrieges den
sogenannten subversiven Truppen zugeteilt. Das waren kleine Einheiten, die hinter den
feindlichen Linien agieren sollten. Diese Einheiten waren direkt dem NKWD unterstellt, wie die
sowjetische Geheimpolizei damals genannt wurde, und bestanden in der Regel auch
überwiegend aus deren Mitgliedern.
Es ist daher nicht gesichert, aber möglich, dass Wladimir Putin sen. schon vor dem Krieg für die
Geheimpolizei gearbeitet hatte – und womöglich auch danach weiter für den NKWD tätig war.
Masha Gessen schreibt dazu: „Es ist einigermaßen wahrscheinlich, dass er Teil der
sogenannten aktiven Reserve blieb, einer riesigen Gruppe von Geheimagenten, die normale
Berufe ausübten, aber gleichzeitig den KGB mit Informationen versorgten – und dafür ein
entsprechendes Einkommen bezogen. Dies könnte erklären, warum es den Putins
vergleichsweise gut ging: die Datscha, der Fernseher und das Telefon – vor allem das Telefon.“
(Gessen*, S.71)
Wie dem auch sei, im Alter von 16 Jahren suchte Vladimir Putin nach eigenen Aussagen die
KGB Zentrale in Leningrad auf, um sich zu bewerben. „Ein Mann kam heraus“, erinnerte er sich
für einen Biografen. „Er wusste nicht, wer ich war. Ich sah ihn danach nie wieder. Ich sagte ihm,
dass ich zur Schule gehe und später gern für den staatlichen Geheimdienst arbeiten würde. Ich
fragte, ob das möglich sei  und was ich tun müsse, um es zu erreichen. Der Mann sagte, sie
verpflichteten für gewöhnlich keine Freiwilligen, doch es sei das Beste für mich, wenn ich an die
Universität oder zum Militär ginge. Ich fragte ihn, an welche Universität. Er sagte, am besten sei
eine Fachhochschule für Recht oder ein Jurastudium an der Universität.“
„Er überraschte alle damit, als er sagte, er wolle sich um einen Studienplatz bewerben“, erzählte
sein Klassenlehrer den Biografen. „Ich fragte: „Wie bitte?“ Er antwortete: „Ich kriege das schon
hin.“
Die Universität von Leningrad war eine der bedeutendsten höheren Bildungsinstitutionen in der
Sowjetunion, ganz sicher die wichtigste der Stadt. Dass ein mittelmässiger Schüler hoffte, dort
eine Zulassung zu erlangen, war ein Rätsel. Die Familie verfügte keinesfalls über
entsprechende Kontakte, selbst wenn meine Annahme zuträfe, dass Vater Putin für die
Geheimpolizei arbeitete. Seine Eltern und sein Trainer waren dagegen. Ihnen allen schwebte
eine Hochschule vor, an der eine Aufnahme Putins wahrscheinlicher war. Dadurch würde er
dem Militärdienst entgehen und in der Nähe seines Zuhauses bleiben.
Putin schloss die Sekundärschule in Geschichte, Deutsch und Sport mit der Note „Ausgezeich-
net“ ab, einem „Gut“ in Geographie, Russisch und Literatur und einem „Befriedigend“ in Physik,
Chemie, Algebra und Geometrie. Wie es einem mittelmäßigen Schüler gelang, die Zulassung
zur Leningrader Universität zu erhalten, an der angeblich auf einen einzigen Studierplatz 40
Bewerber kamen, ist ein Rätsel. Vielleicht war sein Ehrgeiz so stark, dass er seine schulischen
Leistungen vernachlässigte und sich mit aller Kraft auf die knallharten Aufnahmeprüfungen
vorbereitete – eine Strategie, die der Tatsache Rechnung getragen hätte, dass die Universität
ihre Studienplätze nicht nach Schulnoten, sondern ausschließlich nach den Ergebnissen einer 
Reihe schriftlicher und mündlicher Prüfungen vergab. Freilich ist es auch möglich, dass der KGB
für seine Zulassung sorgte.“ (Gessen*, S.71 ff.)      
*) Masha Gessen, “Der Mann ohne Gesicht”,
                     2012 Piper Verlag