Putins soziales, politisches und akademisches Ansehen wandelte sich, als er 13
wurde: In der sechsten Klasse begann er eifrig zu lernen und wurde dafür nicht nur
mit der Aufnahme bei den Jungen Pionieren belohnt, sondern kurz darauf auch mit
der Wahl zum Klassensprecher. Die Schlägereien gingen jedoch unvermindert
weiter. Putins Freunde erzählten den Biografen eine ganze Reihe solcher
Geschichten. Jahr für Jahr wiederholte sich dasselbe Spiel.
„Wir spielten draußen gerade Fangball“, erinnerte sich ein Klassenkamerad aus der
Sekundärschule. „Wolodja kam vorbei und sah, dass ein älterer und größerer Junge
hinter mir her war und ich so schnell lief, wie ich nur konnte. Er ging dazwischen und
wollte mich beschützen. Es kam zu einem Handgemenge. Dann klärten wir die
Sache natürlich.“
„Wir waren in der achten Klasse, als wir einmal an einer Straßenbahnhaltestelle
warteten“, erinnerte sich ein anderer Freund. „Eine Bahn kam, doch fuhr sie nicht,
wohin wir wollten. Zwei massige betrunkene Männer stiegen aus und versuchten,
einen Streit mit irgendjemanden vom Zaun zu brechen. Sie fluchten und rempelten
die Leute an. Ruhig reichte mir Wowka seine Tasche, und ehe ich’s mich versah,
hatte er einen der beiden Männer mit dem Gesicht voran in einen Schneeball
geworfen. Der zweite drehte sich um, ging auf Wolodja los und schrie: „Was war
denn das?“ Ein paar Sekunden später wusste er es ganz genau, weil er dann
nämlich neben seinem Kumpel lag. Genau in diesem Augenblick fuhr unsere Bahn
ein. Wenn ich etwas über Wowka sagen kann, dann ist es, dass er Bastarde und
Halunken, die Leute beleidigen und belästigen, niemals ungeschoren davonkommen
ließ.“
Quelle: Masha Gessen, “Der Mann ohne Gesicht,
            2012 Piper Verlag, S.66ff.