Ein kleiner Einblick in das Alltagsleben der Queen
Der ehemalige Lakai der Queen, Paul Burrell, gibt uns einen kleinen Einblick in ihren
Tagesablauf. Er schreibt:
Das Leben einer Monarchin ist von Routine geprägt und muss nach der Uhr ablaufen.
8 Uhr:
Die Ankleidedame der Queen betrat das Schlafzimmer um acht mit einem “Wecktablett”
und einer Porzellankanne Earl-Grey-Tee.
Die Corgis stürmen herein und begrüßen sie, sobald die Gardinen aufgezogen waren.
(Der königliche Milchmann lieferte seinen Kasten aus Windsor, lange bevor irgendjemand sonst
wach war. Eine Herde Jersey-Kühe im Windsor Great Park beliefert die Queen und die königliche
Familie täglich mit Vollfettmilch in Flaschen mit breiten Hälsen und der blauen Aufschrift: “EIIR
Royal Dairy, Windsor” sowie einem grün-goldenen Deckel. Die Sahne kommt in gewachsten
Kartons an, die ähnlich beschriftet sind)
9 Uhr:  
Um 9 Uhr ging die Queen gewöhnlich durch ihr Wohnzimmer in ihr Speisezimmer, ihr
altmodisches Roberts-Transistorradio in der Hand, das sie stets auf BBC² eingestellt
hatte.
Wenig später hatte ich dann einen Esstisch mit einem frugalen Frühstück gedeckt:
eine Scheibe Vollkorntoast, einen Klecks Butter und eine dünne Schicht dunkle
Orangenmarmelade.
(Der Raum war für Mahlzeiten im Familienkreis gedacht, doch die Queen speiste hier auch oft
allein. Der runde Tisch für vier stand in der Mitte, während die hereinströmende Sonne die Schatten
des großen Sprossenfensters auf den riesigen Teppich warf. An den mit blauer Seidentapete
ausgeschlagenen Wänden hingen in vergoldeten Rahmen Landschaftsgemälde aus der königlichen
Kunstsammlung.)
Die Queen an der Kredenz, während sie wartete,  bis in dem elektrischen Kocher das
Wasser brodelte und sie sich in einer Silberkanne selber einen Tee aufbrühen konnte,
wurde ein alltäglicher Anblick für mich.
Dann setzte sie sich und überflog die britischen Zeitungen, die in festgelegter Reihenfolge
ordentlich in einem flachen Stapel so auf dem Tisch lagen, dass von jeder die Kopfzeile zu
sehen war:
Von unten nach oben waren dies
The Times, der Daily Telegraph, der Daily Express, die Daily Mail und der Daily Mirror
und obenauf die volle Titelseite einer gefalteten Sporting Life, einer Zeitung über
Pferderennen.
(Der Daily Telegraph war mit dem Kreuzworträtsel nach oben gefaltet. Die Queen musste einfach
immer beide Rätsel der Zeitung lösen. Manchmal lag sie Wochen zurück, doch dann wurden die
täglichen Kreuzworträtsel in einem immer höheren Stapel aufbewahrt und gingen sogar mit ihr auf
Reisen, um irgendwo auf der Welt in Angriff genommen zu werden)
Als Erstes nahm sie sich also Sporting Life vor, um die Pferderennen vom Tage sowie
Siegertabellen nachzulesen.
(Ihr kleines Rennotizbuch wurde immer von ihrem Rennmanager mit den Daten,  Rennen und
Rennkategorien, in denen ihre Pferde an den Start gingen, auf den neuesten Stand gebracht. Wenn
die Queen ihre Pflichten als Staatsoberhaupt überhaupt vergessen konnte, dann über ihrer
Leidenschaft für Pferde. Sie war fasziniert vom “Sport der Könige”, von den Pferden und den
Trainern, den Jockeys und sogar den Stallknechten, den Gewinnern und auch den Verlieren
10 Uhr
Um zehn begann das Tagesgeschäft. Die Queen saß an ihrem Schreibtisch im
Wohnzimmer, der seitlich am großen Fenster stand und auf dem sich eine altmodische,
schaltbrettartige Gegensprechanlage befand. Sie drückte den dicken, quadratischen
Knopf mit der Kennzeichnung “Privatsekretär” und sagte in überaus nettem Ton:
“Würden Sie wohl bitte heraufkommen?”
Sekunden später war der Privatsekretär - damals Sir Martin Charteris - mit forschem
Schritt im Korridor, eine Ablage mit Briefen in der Hand.
Nach leisem Klopfen trat er ein und stand, etwa eine Stunde lang, neben der sitzenden
Monarchin, um Anfragen, Verpflichtungen und schwierige politische Fragen, die Land
und Commonwealth betrafen, mit ihr zu erörtern.
(Privatsekretäre und Personen mit ähnlicher Funktion sitzen während einer Audienz bei der Queen
grundsätzlich nicht, es sei denn, sie werden ausdrücklich dazu aufgefordert)
Die Queen ist es gewöhnt, auch einmal einen ganzen Tag lang allein an ihrem
Schreibtisch zu arbeiten oder allein zu speisen.
11 - 13 Uhr
Die Stunden zwischen elf und ein Uhr waren im Palast immer privaten Audienzen oder
anderen Vormittagsverpflichtungen vorbehalten.
(Dies war auch die Zeit, in der Minister, Geheimräte oder Botschafter der Queen im Glanz des Bow
Room oder des Eighteenth-century Room anlässlich ihrer Amtseinführung der Königin vorgestellt
wurden, und zwar nach einer uralten Zeremonie, die als “Der Handkuss” bekannt war. Jeder der zu
ernennenden Kandidaten kniete sich dabei hin, nahm mit der Rechten die dargebotene Hand der
Queen - die Finger leicht geschlossen - und berührte sie mit einem hauchzarten Kuss)
Bei all diesen Anlässen blieb die Königin stehen, zuweilen zwei Stunden lang.
Kein Wunder also, wenn sie zurückkam und als Erstes fragte: “Ist das Tablett mit den
Drinks fertig, Paul?”
Gewöhnlich war ich ihrer Frage längst zuvorgekommen. Oft bereitete sie sich selbst ein
Glas ihres Lieblingsdrinks vor dem Mittagessen, Gin und Dubonnet, halb und halb, mit
zwei Würfel Eis und einer Zitronenscheibe.
13 Uhr:
Das Mittagessen wurde immer um eins serviert, und es währte ungefähr eine Stunde.
14 - 17 Uhr:  
Wenn sie keine Termine hatte, machte die Queen mit den Corgis ausgedehnte
Spaziergänge in den Gartenanlagen, die bis zu zwei Stunden dauern konnten.
Während sie sich das Kopftuch umband und den Mantel anzog, drehte sie sich oft zu mir
um und sagte: “Würden Sie wohl das Rennen aufnehmen?”
Das war eine Anweisung, irgendwann zwischen halb drei und fünf Uhr den Videorekorder
auf die Fernsehübertragung eines Rennens in Epsom oder Ascot, York oder Goodwood
einzustellen.
(Falls ein Rennen nicht übertragen wurde, dann dröhnte eine Direktverbindung - derselbe
Audioservice, der überall in Großbritannien in die Wettbüros sendete - auch in Buckingham Palast.
Dann lauschte sie aufmerksam, bis das Rennen kam, in dem eines ihrer Pferde an den Start ging,
und hoffte, seinen Namen zu hören. Lakaien und Pagen wussten, dass sie die Queen niemals
während eines Rennens stören durften. Das wäre der Gipfel der Unverschämtheit gewesen. Diese
drei Minuten lang hatte alles andere zu warten)
17 Uhr :
Die Queen isst oder trinkt nie zwischen den Mahlzeiten.
Wo immer sie gerade in der Welt weilte, wurde grundsätzlich um fünf Uhr der Tee
gereicht.
Ob sie sich nun in einem königlichen Palast in Saudi-Arabien befand oder an Bord der
königlichen Jacht Britannia oder in Buckingham Palace, ich sorgte dafür, dass sie einen
Earl-Grey Tee mit einem Spritzer Milch bekam, ein Sandwich ohne Rinde und etwas
Süßes.
(Fast nie aß jemand aus der königlichen Familie die heißen Fruchtscones, die täglich vom
Hofkonditor Robert Pine gebachen wurden. Die Queen zerbrach sie und verfütterte sie Stück für
Stück an die Corgis. Für die Hunde waren sie dagegen der höchste Genuss, und sie bettelten,
verrenkten sich oder drehten sich im Kreise)
ab 18 Uhr:
Sobald die Queen mit dem Tee fertig war, kam wieder das Getränketablett zum Zuge  -
doch niemals vor sechs Uhr, und sie genehmigte sich dann einen Gin Tonic.
Mit einer offiziellen Feier am frühen Abend, einer Cocktailparty oder einem Dinner klang
der königliche Tag oft aus.
Wenn es der dichte Terminplan zuließ, entspannten sich die Queen und der Herzog von
Edinburgh zusammen und genossen das Abendessen, während sich die Corgis im ganzen
Zimmer räkelten.
Dinner war stets um viertel nach acht - außer wenn die Königinmutter zu Gast war.
Denn die Königinmutter kam grundsätzlich zu spät.
Glücklicherweise verlief der Alltag der Queen in sehr regelmäßigen Bahnen. In
Buckingham Palace wurde, wenn sie das Abendessen allein zu sich nahm, entweder im
Speisezimmer oder im Wohnzimmer der Fernseher angestellt.
Ich blieb an der Tür stehen - stehen, wohlgemerkt -, um ihr noch eine Weile Gesellschaft
zu leisten, wenn sie Morecambe and Wise, eine Krimiserie, oder die Neun-Uhr-
Nachrichten der BBC sah.
Nach dem Abendessen hatte ich, bevor der Tag für mich endete, noch zwei Pflichten zu
erfüllen. Ich stellte zwei Gläser und eine Flasche stilles Malvern-Wasser für die Queen
und eine Flasche Glenfiddich-Whisky sowie eine kleine Flasche Double-Diamond-Bier für
den Herzog von Edinburgh auf ein Tablett.
Dann führte ich die Corgis noch einmal aus.
Bei meiner Rückkehr brachte ich sie in den am Flur der Queen gelegenen Raum, in dem
sie schliefen.
Manchmal kam sie zu diesem Gutenachtritual dazu. Womöglich noch im Abendkleid mit
Diamantenkollier und -ohrringen ging sie auf die Knie und vergewisserte sich, dass jeder
Hund es in seinem eigenen Körbchen oder Sitzsack bequem hatte. Lassen Sie das Fenster
für sie offen. Gute Nacht, Paul.”
Wieder ging ein Tag zu Ende.
Die Queen dagegen hatte noch eine Aufgabe. Bevor sie das Licht ausknipste, führte sie
äußerst gewissenhaft ihr persönliches Tagebuch, in das sie nur mit Bleistift schrieb. Ein
Zeugnis für das königliche Archiv wie die Tagebücher der Königin Victoria! Selbst zur
Schlafenszeit fühlte sich die Queen noch an ihre Pflicht gebunden.
Quelle:
Paul Burrell, “Im Dienste meiner Königin”, S.71 ff.