SPÖ und ÖVP haben am Mittwoch im Alleingang die umstrittenen
erweiterten Befugnisse zur Bekämpfung von Terroristen abgesegnet.
Der bisherige Verfassungsschutz wird zum Staatsschutz, das Bun-
desamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
darf künftig schon frühzeitig überwachen.
Strittigster Punkt des neuen Gesetzes ist die Möglichkeit, ab 1. Juli die Handys
von Terrorverdächtigen und Extremisten ohne richterliche Kontrolle zu über-
wachen. Zusätzlich können die Daten aller, die mit den Verdächtigen Kontakt
haben - egal, ob Familienmitglied oder lose Facebook-Bekanntschaft -, gesam-
melt und verknüpft sowie an ausländische Geheimdienste weitergeleitet wer-
den.
Einige Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage
konnten Grüne und Freiheitliche noch erwirken. Ausgenommen von der
Überwachung sind nun etwa bestimmte Berufsgruppen wie Anwälte und
Journalisten. Auch der Katalog an Delikten, bei denen der Staatsschutz
vorbeugend tätig werden kann, wurde deutlich reduziert. Weitere Änderungen
sollen nach Angaben der Grünen Einschränkungen bei den Rechten der V-
Leute sowie nähere Bestimmungen für die Analysedatenbank des Staats-
schutzes betreffen.
Pilz: „Schlampige“ Planung des Innenministeriums
In den Augen der Grünen ist es gelungen, in den Verhandlungen wesentliche
Verbesserungen herauszuschlagen, denn die ausufernde Überwachung von
„etwas wilderen Leserbriefschreibern“ oder Demonstranten werde nun vermie-
den, so Pilz. In den Gesprächen mit SPÖ und ÖVP habe man einen großen Teil,
aber nicht alle „Giftzähne“ des Gesetzes ziehen können.
Statt einer Million Menschen in Österreich gebe es dadurch wohl nur noch
200.000 von Überwachung Betroffene, so Pilz. Er war voll des Lobes für seine
Ansprechpartner bei SPÖ und ÖVP, Otto Pendl und Werner Amon. Ein gemein-
samer Beschluss sei nicht am Parlament, sondern am Innenministerium ge-
scheitert, das ein „schlampiges und gleichzeitig gefährliches Gesetz“ geplant
habe. Nächster Schritt sei nun, gesetzlich die parlamentarische Kontrolle zu
verbessern.
FPÖ und Grüne wollen Verfassungsklage einbringen
Was die Grünen nicht durchsetzen konnten, wollen sie nach Beschluss des
Staatsschutzgesetzes mittels Drittelbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof
(VfGH) zu Fall bringen, dafür brauchen sie die FPÖ.
Da das Gesetz ohnehin erst im Juli in Kraft treten soll, will FPÖ-Vizeklubchef
Gernot Darmann Nachverhandlungen im zuständigen Innenausschuss bean-
tragen und betont, es gebe keinen Grund für „künstlichen Zeitdruck“.
Falls die Nachverhandlungen nichts bringen, will die FPÖ gemeinsam mit den
Grünen eine Verfassungsklage gegen das Staatsschutzgesetz prüfen. Dafür ist
ein Drittel der Abgeordneten nötig.
Darmann missfällt unter anderem, dass noch immer die erweiterten Maß-
nahmen bei Meinungsdelikten eingesetzt werden könnten und dass nicht
ausgeschlossen sei, dass Politiker von der Regierung „bespitzelt würden“.
Heftige Proteste von Anwälten und Journalisten
Zuletzt hatten die Datenschützer des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung
(AKVorrat), Rechtsanwälte und der Österreichische Journalistenclub (ÖJC)
heftige Kritik an dem Vorhaben geübt. Sie pochten auf richterliche Kontrolle
und die nun erreichte Ausnahme von Ärzten, Anwälten, Journalisten und
Geistlichen. Andernfalls kündigte der Präsident des Österreichischen Rechts-
anwaltskammertags (ÖRAK), Rupert Wolff, eine Verfassungsklage an. Laut
ÖJC-Präsident Fred Turnheim droht eine „neue Form des Überwachungs-
staates.
Europarat mahnt zu Schutz der Grundrechte
Auch der Europarat sieht Handlungsbedarf. Die Europäer sollten im Kampf
gegen den Terror den Schutz der Grundrechte nicht aus den Augen verlieren.
Demokratien müssten sich bei Angriffen verteidigen, doch die Rechtsstaatlich-
keit und die Werte des Europarats müssten dabei respektiert werden, hieß es in
einer Entschließung der Staatenorganisation am Mittwoch in Straßburg.
Polizeibehörden wurden aufgefordert, individuelle Freiheiten nicht übermäßig
einzuschränken und Verdächtige nicht nach ihrer Religion oder Abstammung
einzustufen. Die Regierungen sollten zudem eine uneingeschränkte Massen-
überwachung durch ihre Geheimdienste nicht zulassen. Anlass der Debatte
waren die Pariser Terroranschläge vom 13. November. Frankreich hatte darauf-
hin bis Ende Februar den Ausnahmezustand verhängt und will ihn jetzt um
weitere drei Monate verlängern.
Quelle und gesamter Artikel: http://orf.at/stories/2321021/2321022/