Sozialabbau -  Ursachen und Lösungen
Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander -  auch in
Österreich.
Ein Hauptgrund dafür: Vermögen werden kaum steuerlich belastet, Arbeit
hingegen sehr stark.  
Eine Studie der Europäischen Zentralbank kommt zum Ergebnis, dass das
reichste Prozent vermutlich ein Drittel des gesamten privaten Vermögens in
Österreich besitzt.
Dabei wird vergessen, dass diese ungerechte Verteilung  nicht nur für die
betroffenen Menschen schlecht ist, sondern vor allem auch der Wirtschaft
schadet. Denn mit der Lohnquote sinkt auch die Kaufkraft. Die Menschen
haben immer weniger Geld für Konsum zur Verfügung. 
Martin Schenk u. Martin Schriebl-Rümmele schreiben dazu in ihrem Buch
Genug gejammert – Warum wir gerade jetzt ein starkes soziales Netz brau-
chen“: „Die Reallöhne sind zwischen 2000 und 2013 im Schnitt um nur 0,3
Prozent pro Jahr gestiegen. Auch die Sparquote ist in der Folge im Sinken
begriffen: Lag sie 2007 noch bei 11,6 Prozent, fiel sie bis Anfang 2014 auf 6,1
Prozent. Wer wenig verdient, kann wenig auf die Seite legen.“ (S.15*)
Seit dem Finanzcrash und der Wirtschaftskrise haben mehr als drei Viertel   
der Beschäftigten im vergangenen Jahrzehnt reale Lohnverluste erlitten. Die
Gewinne und Vermögenseinkommen stiegen hingegen bis 2007 rasant.    
Gemäß Schenk u.Schriebl-Rümmele haben sie die Gewinnauszahlungen
österreichischer Groß- und Mittelbetriebe pro Beschäftigtem von rund 8.400
Euro auf 15.900 Euro fast verdoppelt und verharren seither auf hohem Niveau.
„Eine andere Rechnung  zeigt die Schere ebenfalls eindrücklich: In den börsen-
notierten Top-Unternehmen Österreichs kamen die Vorstandsvorsitzenden laut
der Unternehmensberatung „hkp“ auf durchschnittlich 2,18 Millionen Euro im
Jahr 2015 – ein Plus von 36 Prozent gegenüber 2014. Dafür müssten durch-
schnittliche vollzeitbeschäftigte Beschäftigte länger als 50 Jahre arbeiten.“
(S.16*)
Etwas Abhilfe schafft hier das Sozialsystem: „Es soll gegen Armut kämpfen,
Chancengleichheit im Bildungssystem ermöglichen und eine hochwertige
Gesundheitsvorsorge bieten.
So hat etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut  WIFO im Jahr 2016 untersucht,
wie sehr der Sozialstaat für einen Ausgleich sorgt. Wenn man sich die Markt-
einkommen anschaut, so haben die reichsten zehn Prozent ein 32-mal so ho-
hes Einkommen wie die ärmsten zehn Prozent, heißt es, „Nach Eingreifen des
Staates, etwa durch Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Pensionen, liegt das
Verhältnis nur mehr bei 1:6.“ (S.16*)
Soll das Sozialsystem nun auch in Österreich abgebaut werden?
Aufgrund der hohen und gut ausgebauten Sozialleistungen in Österreich - und
nicht zuletzt wegen der österr. “Sozialpartnerschaft- zählt unser Land zu den
sozial gerechtesten und zu den besten entwickelten Sozialstaaten in Europa.
Mehr dazu siehe ..
Doch dieses gut funktionierende Sozialsystem wird in den letzten Jahren
systematisch schlecht geredet.  Es werde viel zu viel für das Sozialsystem
ausgegeben. „Wenn man spare, dann könnte auch die Steuerquote sinken –
das würde den Unternehmen helfen und auch den arbeitenden Menschen
würde mehr Geld in der Tasche bleiben“, so das perfide Argument ...
„Erst sparen, dann kaufen“, wurde den Menschen eingeredet mit dem Slogan,
dass man ja nicht mehr ausgeben könne, als man vorher einnehme. Man redete
uns ein, dass wir über die Verhältnisse gelebt hätten. Deshalb wird von vielen
Institutionen gefordert, die Staatsausgaben zu kürzen, sei es bei Pensionen,
Löhnen und Gehältern oder Arbeitslosengeldern.
Dieser Sparkurs führt in einen Strudel  des ständigen Kürzens  bei öffentlichen
und privaten Ausgaben und somit zum Abbau der sozialen Absicherung. Das
ist aber keine Lösung für die eigentlichen Probleme steigender Ungleichheit,
unregulierter Finanzmärkte und nachhaltiger Konjunkturschwäche, sondern
verstärkt die negativen sozialen Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Das
strenge Spardiktat lässt keinerlei Raum für wirtschaftliche Impulse und
verschärft so die akuten Folgen der Finanzkrise weiter.  (S.17ff.*)
SOZIALER KAHLSCHLAG ist gewollt, um die Demokratie auszuhöhlen
„Ich möchte den Staat nicht nur auf eine Diät setzen, ich will ihn in Hunger und
Armut treiben“, so posaunt der Ökonom Alvin Rabushka heute, dessen Steuer-
ideen seit Jahrzehnten die Reichen reicher und die Armen ärmer machen.
Diese  Hunger-Modelle haben eine strategische Funktion.  Die britische
Premierministerin Margret Thatcher begann vor 40 Jahren ihren sozialen
Kahlschlag mit Beitragssenkungen, um die soziale Sicherung auszuhungern.
So funktioniert die politische Bastelanleitung zur Herstellung von „Sach-
zwängen“: Bei Belagerungen war es im Mittelalter angewandte Taktik, die
Bevölkerung auszuhungern, damit man die Stellung einnehmen und die Macht
übernehmen kann.“
Daher die Warnung von Sozialexperten Martin Schenk und Gesundheitsjour-
nalisten Martin Schriebl-Rümmele: „ Reinfallen sollten wir darauf nicht mehr.
Die Senkung der Abgabenquote             
bringt keine Entlastung für alle. Denn
was haben wir davon, wenn gleichzeitig unsere persönliche Abgabenquote für
Selbstbehalte, indirekte Steuern und Privatvorsorge überall rasant anwächst? 
Während die solidarische Abgabenquote  auf unter vierzig Prozent sinkt, steigt 
die persönliche Abgabenquote der Mittelschicht.
STEUERSENKUNG nützt vor allem den Reichen
Mit Steuersenkungen wird tendenziell die reichere und einflussreichere Klientel
bedient, das dadurch entstehende Budgetdefizit belastet mit Ausgabenkürz-
ungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsektor tendenziell die unteren
Einkommen. Um im Bild zu bleiben: Einen „Hunger-Staat“ können sich nur die
„Satten“ leisten.
Wir hatten das alles schon einmal. In den 2000er Jahren. Da pushte die
Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ Talkgäste in Fernsehrunden, um für
weniger soziale Marktwirtschaft zu werben.
Ein Witz? Nein, eine Kampagne, finanziert durch große Geldgeber, darunter
neoliberale Think Tanks und monetaristisch ideologisierte Interessensver-
bände.  Dieselben „Experten“, die dann in den Talkshows saßen und Zeitungen
Interviews gaben, wurden praktischerweise gleich von derselben Initiative zu
„Reformern des Jahres“ gekürt .  Geehrt wurde man zum Beispiel für Aus-
sagen wie: „weniger Geld für Arbeitslose“ oder „Sozialhilfe kürzen“  aber am
liebsten für „weniger Steuern“.
Tatsächlich  sagt es nichts aus, wie hoch die Abgabenquote ist und ob sie
unter oder über 40 Prozent liegt. Es kommt darauf an, was damit finanziert
wird, wer damit wen unterstützt und wer tatsächlich zahlt
Schultern alles Beschäftigte und Unternehmen mit vielen Mitarbeitern wie jene
im Dienstleistungsbereich (Gesundheit, Tourismus, Handwerk) und der Mas-
senkonsum, oder trägt Vermögen und Reichtum auch etwas bei?
Wird damit Bildung für alle finanziert, Gesundheit und Soziales? Unterstützen
die, die viel haben, die, die wenig haben; helfen die Gesunden den Kranken?
Und was ist mit Dänemark und Schweden, die mit ihrem Bruttoinlandsprodukt
(BIP) weit über dem EU-Durchschnitt liegen; ihre Abgabenquote liegt aber
trotzdem über 43 Prozent. Schweden, Dänemark, Österreich und die Nieder-
lande befinden sich im europäischen Vergleich im obersten Drittel mit ihrem
BIP. Dieselben Länder sind auch bei den Sozialausgaben im obersten Drittel
Europas.
Das heißt: Ein progressives Steuersystem schadet der Wirtschaft nicht. 
Länder mit hoher Steuerquote haben auch ein hohes Bruttoinlandsprodukt.
Ein hoher sozialer Schutz hemmt die Wirtschaft nicht. Länder mit hohen
Investitionen ins Soziale haben auch ein hohes Wirtschaftswachstum.
Die Propagandisten der „Neuen sozialen Marktwirtschaft“ lieferten übrigens
auf Bestellung Daten. Lieblingsaussage:  Viele „harte Einschnitte“ – von denen
sie freilich nie betroffen waren.
Mythos: Nur wer fleißig ist und viel leistet wird reich?
Die Möglichkeit Vermögen anzuhäufen, hängt nach wie vor besonders vom
jeweiligen Einkommen und der Sparquote ab und nicht von Leistung. Nur wer
überdurchschnittlich gut verdient, kann einen Teil auf die Seite legen. Prob-
lematisch ist dabei, dass die Lohneinkommen seit Jahrzehnten hinter der
Produktivitätsentwicklung zurückbleiben ...
Wie soziale Ungleichheiten beseitigen?
Gemäß den Sozialexperten gibt es dazu folgende Mittel:  VRMÖGENS- und
ERBSCHAFTSSTEUERN, STEUEROASEN trocken legen sowie eine ENTLAS-
TUNG des Faktors ARBEIT und gleichzeitig auch mehr GERECHTIGKEIT in die-
sem Bereich.
1. Vermögens- und Erbschaftssteuern:
Hier hinkt Österreich im internationalen Vergleich nach. Zum Gegenargument,
das hier, vor allem von der (Wirtschaftspartei) ÖVP, gerne angeführt wird - 
nämlich dass dann die vermögenden Menschen und damit die sogenannten
„Leistungsträger“ abwandern würden -  weisen die Sozialexperten darauf hin,
dass das meiste Vermögen sowieso schon längst in Steueroasen geparkt ist:
„Etwas acht Prozent der weltweiten Privatvermögen, das sind 8.000  Milliarden
Euro, liegen in Steueroasen mit dem hauptsächlichen Motiv der Steuerhinter-
ziehung. Nach der Finanzkrise gab es viele Versprechungen und einige Maß-
nahmen – aber sie waren alle unzureichend. Den Sozialsystemen entgehen laut
einer Schätzung des Ökonomen Gabriel Zucman dadurch jährlich 1230 Milliar-
den Euro an Steuereinnahmen. Die großen Orte der Steuerhinterziehung liegen
in der Schweiz, Luxemburg, Hongkong, Singapur, Kaimaninseln und den
Bahamas. (S.21ff)
2. Umgekehrt braucht es eine Entlastung des Faktors Arbeit und gleichzeitig
auch mehr Gerechtigkeit in diesem Bereich. 
So zahlt die internationale  Wirtschaft (Großunternehmen, Internationale Kon-
zerne etc.) in den westlichen Industriestaaten immer weniger Steuern. Seit 1960
sank so die Belastung der Gewinne und Kapitaleinkommen von 20 Prozent auf
durchschnittlich 5 Prozent. Die Belastung der Löhne stieg dafür umgekehrt von
sechs auf 20 Prozent ...
Und wie werden diese Ungerechtigkeiten von den verantwortlichen Politikern
gerechtfertigt?
Da hätten wir als erstes den Ökonomismus. Schenk u.Schriebl-Rümmele 
schreiben dazu: Besonders anfällig für Ideologien des Ausschlusses sind
diejenigen, die sich mit den herrschenden Werten Geld, Karriere und Erfolg
überidentifizieren, die das Leistungspinzip verabsolutieren und die zwischen-
menschlichen Beziehungen auf ihre Funktionalität für das Eigeninteresse
reduzieren.
Diese ökonomischen Einstellungen stehen im Zusammenhang mit der Ab-
wertung von „Überflüssigen“ und „Nutzlosen“. Der Sozialwissenschaftler
Wilhelm Heitmeyer nennt den zentralen Satz dieser Ideologie: „Jeder schafft
es, wenn er nur will.“ Die Personen sagen Ja zu den Aussagen: „Wer sich nicht
selbst motivieren kann, ist selber schuld, wenn er scheitert“ Und: „Wer sich
nicht verkaufen kann, ist selber schuld, wenn er scheitert.
Dabei handelt es sich zunehmend um ein Elitenproblem. Die Abwertung von
Langzeitarbeitslosen ist in Deutschland seit 2008 am stärksten bei den obers-
ten Einkommensschichten gestiegen.
Heitmeyer spricht von „elitär motivierter Menschenfeindlichkeit“, die den
inneren sozialen Frieden bedroht. „Rohe Bürgerlichkeit“ nennt er das Phäno-
men, dass gut Situierte gegen die ärmsten Teile der  Bevölkerung und gegen
die soziale Sicherung kampagnisieren.“ (S.24ff.*)
Mehr zu dem Thema siehe auch:
Mythos “Leistungsträger”: https://blog.arbeit-wirtschaft.at/die-unendliche-geschichte-vom-
leistungstraeger/
Soll der Staat bei Bildung, Gesundheit und Sozialem kürzen? Auswirkungen der
AUSTERITÄTSPOLITIK in der EU: https://blog.arbeit-wirtschaft.at/soll-der-staat-bei-bildung-
gesundheit-und-sozialem-kuerzen-austeritaetspolitik-seit-der-finanzkrise-im-vergleich/
Mythos: der öffentliche Dienstleistungssektor ist ineffizient und viel zu teuer:
https://blog.arbeit-wirtschaft.at/mythos-der-oeffentliche-dienstleistungssektor-ist-ineffizient-
und-viel-zu-teuer/
Österreichische Sozialpartnerschaft: Überlegen aber gefährdet: https://blog.arbeit-
wirtschaft.at/das-osterreichische-lohnverhandlungssystem-uberlegen-aber-gefahrdet/
Arbeiterkammern im Visier der Gegner des Sozialstaates: https://blog.arbeit-
wirtschaft.at/arbeiterkammern-im-visier-der-gegnerinnen-des-sozialstaats/
Über die wahren Hintergründe des systematischen Sozialabbaus in der EU siehe   
auch ...
27.10. 2017
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Quellenangabe:
*) Martin Schenk / Martin Schriebl-Rümmele, “Genug gejammert - Warum
   wir gerade jetzt  ein starkes soziales Netz brauchen”, 2017,
   Ampuls-Verlag, S.17ff. (www.gesundkommunizieren.at)