Die österreichische Politik zeichnete sich seit Jahren durch einen Stillstand
und einer Blockadehaltung – vor allem seitens der „alten“ ÖVP – aus, was zur
Folge hatte, dass der Wohlstand in den letzten Jahren immer mehr zurückge-
gangen ist.
Und das, obwohl Österreich eines der reichsten Länder der Welt ist mit einer
„funktionieren Gesundheitsversorgung, die niemanden ausschließt, Sozialver-
sicherungen, die bei Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und in der Pension ein
Leben in Würde ermöglichen”, eine leistungsfähige Wirtschaft besitzt sowie 
eine “exzellente Verkehrsinfrastruktur und ein lebendiges Kulturleben, an dem
auch Menschen mit geringerem Einkommen teilhaben können.“
Trotzdem macht sich auch in Österreich eine diffuse Angst breit:  Angst, ange-
sichts steigender Arbeitslosigkeit den Job zu verlieren, Angst, im Alter keine
ausreichende Pension zu bekommen, Angst, dass die „Islamisierung“ im Land
zunimmt, Angst davor, aufgrund eklatant hoher Mieten keine passende Woh-
nung zu finden... etc.
Wie konnte es soweit kommen? Und was müsste seitens der Politik ge-
schehen, um dem entgegenzuwirken? Welche Reformen und Maßnahmen
müssten von der neuen österreichischen Regierung endlich umgesetzt werden,
um den drohenden sozialen Abstieg und die Politikverdrossenheit  aufzuhal-
ten?
Diese Fragen haben sich auch Christian Deutsch (Wiener Kommunalpolitiker
und Ex-Landesparteisekretär der SPÖ), Stefan Knoll (Sozialarbeiter und Jour-
nalist) und Thomas Landgraf (selbständiger PR- und Politikberater) gestellt. In
ihrem kürzlich erschienen Buch „Bewegt Euch! Eine Abrechnung mit der
Angststarre der Österreicher“ gehen sie auf die Gründe des politischen
Stillstands ein.
Vor allem präsentieren sie in dem Buch aber auch mögliche Lösungen. Hier
einige Vorschläge der Autoren:
 
Bereich Arbeit und Wirtschaft
Österreich leidet an einem eklatanten Gerechtigkeits- und Gleichheitsdefizit mit
einem Steuersystem, das einerseits Einkommen für Betriebe und Arbeitnehmer
gleichermaßen „teuer“ macht und andererseits Vermögende verschont und so-
mit eine stete Umverteilung von Nicht-Besitzenden zu Besitzenden organisiert.
Die Autoren rechnen vor, dass heute angesichts der Wirtschaftsleistung – die
sich innerhalb von 50 Jahren mehrmals multipliziert hat -  das Monatsnettoein-
kommen im Schnitt 9.730 Euro betragen müsste.  
Erläuterung: 1991 betrug das Durchschnittsgehalt von Erwerbstätigen (inflati-
onsbereinigt auf heutiges Niveau) 2.042 Euro netto. Heute verdient ein Arbeit-
nehmer im Schnitt 2.350 Euro monatlich: „Am schlimmsten trifft es – leider
erwartungsgemäß – die Bezieher der kleinsten Löhne. Der Rechnungshof weist
in seinem „Einkommensbericht  2016“ aus, dass die Bruttojahreseinkommen
der am schlechtesten Verdienenden seit 1998 um 35,1 % gesunken sind.
Durchschnittsverdienter haben im selben Zeitraum auf 3,5 % verzichten
müssen, während die 10 % Spitzenverdiener immerhin um 4,3 % mehr
bekamen.“ (S.18*)
Begonnen hat diese ungerechte  Wirtschaftspolitik vor allem 1994, damals
„initiierte der SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina die Abschaffung der Ver-
mögenssteuern und ermöglichte schon davor steuerschonende Privatstiftun-
gen für Reiche (1993). Die anstelle von Vermögenssteuern eingeführte Kapital-
ertragssteuer traf genauso die kleinen Sparer, verschärfte die Ungerechtigkeit
also weiter.”
Eine Umverteilung der ganz besonderen Art veranstalteten aber die Bundes-
regierungen Schüssel I und II in den Jahren der schwarz-blauen Koalition
zwischen 2000 und 2006 ...
Vorschläge für sinnvolle Reformen im Bereich Wirtschaft und Arbeit ...
Stärkung der Demokratie
Hier schlagen die Autoren eine Stärkung von Bürgerbeteiligungen und
Volksabstimmungen vor.
Das Mitsprache- und Mitberstimmungsrecht  der Bürger/innen soll aber auch
durch mehr Transparenz ermöglicht werden:
„Zunächst braucht es dafür Transparenz in allen Bereichen. Beispiele gibt es
zuhauf, auch und vor allem in Österreich: Die Stiftung eines Landeshauptman-
nes darf nicht mehr in einem Sammelposten des Landesbudgets versteckt
werden, wie es bei Erwin Pröll der Fall war. Auch wenn der Betroffene versi-
chert, es sei alles korrekt abgelaufen: Das System ermöglicht potenziell die
zweckfremde Verwendung von Steuergeld.
Österreich ist die letzte europäische Demokratie, in der das Amtsgeheimnis im
Verfassungsrang steht. Die Geheimhaltung „von amtlichen Kenntnissen im
Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher-
heit“ gilt auch für Funktionäre von allgemeinen Vertretungskörpern wie der   
Arbeiter- oder Wirtschaftskammer.
Ein „Informationsfreiheitsgesetz“ nach deutschem Vorbild lag im Herbst 2017
seit gut drei Jahren im Parlament. Zu Amtshandlungen mit Geheimhaltungs-
status zählen offenbar auch Ausschusssitzungen des Nationalrates oder
Ministerratssitzungen der Bundesregierung. Für die Öffentlichkeit sind diese
Gremien und ihre Beschlüsse ein schwarzes Loch.
Ein öffentlicher Livestream der Ministerratssitzung würde auch das Hickhack
der Koalitionspartner reduzieren und womöglich sogar Regierungsbeschlüsse
vorantreiben: Wäre doch das übliche Taktieren aus Gründen der Positionier-
ung der eigenen Partei vor den Augen der interessierten Wählerschaft nicht
mehr ohne Weiteres möglich.“ (S.56*)
Lösungsvorschläge:
Einführung von Bürgerversammlungen nach irischem Vorbild
„Österreich leidet an Koalitionitis“, titelte die Schweizer Ausgabe der „Neuen
Züricher Zeitung“ einmal treffend. Weil bei Themen wie einer Bildungsreform,
Studiengebühren oder Föderalismusreform (Stichwort: Bundesländer „ab-
schaffen“) seit Jahrzehnten nichts weitergeht, sollte die Zukunft unserer
Kinder und andere strittige politische Themen an eine Bürgerversammlung
übertragen werden, die der Bundesregierung nach einem Planungs- und Ab-
stimmungsprozess Vorschläge vorlegt. Die Bundesregierung bzw. das Parla-
ment entscheidet im Anschluss über die Abhaltung eines Referendums zu den
Vorschlägen. Darüber hinaus soll sich die Bundesregierung für mehr Trans-
parenz und Bürgerbeteiligungsmodelle in Europa einsetzen.
Wahl der Spitzenbeamten durch das Parlament
Die Nachbesetzungen der Ressortleiter in den Ministerien unterliegen dem
jeweils amtierenden Minister und sind meistens politisch motiviert. Die
parlamentarische Abstimmung über Kandidaten nach einem vorhergehenden
öffentlichen Hearing im Nationalrat – wobei jede Fraktion einen Kandidaten
stellen kann – wird parteipolitische Besetzungen zwar nicht gänzlich
verhindern können, sorgt aber jedenfalls für mehr Transparenz.
Recht auf Information durch den Amtsschimmel
Recht auf umfassende Information über alle amtlichen und politischen
Vorgänge, solange die Veröffentlichung die öffentliche Sicherheit nicht
begründet, gefährdet oder das Recht auf Privatsphäre verletzt wird.   
Transparenz bei allen finanziellen Tätigkeiten der öffentlichen Hand
Sofortige Umsetzung der sogenannten doppelten Buchführung in den
Landesbudgets (derzeit ist die Umsetzung bis 2019 geplant) und volle
Transparenz bei allen öffentlichen Konten, inklusive aller (Landes-)
Förderungen, (Landes-)Haftungen und sonstigen Investitionen oder
Schuldenständen der öffentlichen Hand.
Öffentliche Sitzungen der Exekutive auf nationaler und europäischer Ebene
Die wöchentlichen Sitzungen des Ministerrats der Bundesregierung, der
Landesregierungen, des Rats der europäischen Staats- und Regierungschefs
sowie der EU-Ministerräte sollen künftig live übertragen werden. Nicht öffent-
liche Sitzungen oder Sitzungspunkte müssen zuvor begründet werden. (S.60ff.*)
28.12.2017
  
Quelle:
*)  Christian Deutsch / Stefan Knoll / Thomas Landgraf, “Bewegt Euch!
      Eine Abrechnung mit der Angststarre der Österreicher”, 2017,
       Carl Ueberreuter Verlag, Wien