Der Kampf gegen den IS und
die Lösung der Kurdenfrage
Die Kurden sind momentan die stärksten Gegner - und gleichzeitig die
wichtigsten Verbündeten des Westens - im Kampf gegen den sogenannten
“Islamischen Staat” im Irak und in Syrien.
Denn von den Nachbarstaaten haben bis jetzt weder die Türkei noch Saudi
Arabien oder Ägypten in ausreichendem Maße geholfen. Einzig der Iran unter-
stützt die irakische und syrische Regierung militärisch mit Bodentruppen im
Kampf gegen den IS.
Und nun droht nun ein weiterer Konflikt die Region zu destablisieren. So hat
der türkische Präsident Erdogan im Juli 2015 - nachdem ein Selbstmordatten-
täter in der türkischen Grenzstadt Suruc 32 Menschen getötet und rund
hundert weitere verletzt hatte - den Friedensprozess mit der kurdischen
Arbeiterpartei (PKK) aufgekündigt (dabei trägt dieses Attentat eindeutig die
“Handschrift” des “IS” !!).
Seitdem bombardiert die türkische Luftwaffe massiv die kurdischen Guerilla-
Kämpfer der PKK. Als Begründung wird behauptet, dass die PKK eine Terror-
organisation sei und deshalb bekämpft werden müsse. Von der EU und
Deutschland, die die Kurden beim Kampf gegen die IS-Dschihadisten mit
Waffenlieferungen unterstützen, wurde dies übrigens heftig kritisiert. Die USA
hingegen billigten das Vorgehen von Erdogan ...
ABER: Wird die PKK zu Recht als terroristische Vereinigung bezeichnet?
Es mag richtig sein, dass die PKK in ihren Anfängen und in der Vergangenheit
Merkmale einer sogenannten „Terrororganisation“ hatte. Man sollte jedoch
nicht die Ursachen vergessen: nämlich die massive Unterdrückung der Kurden
durch die türkische Regierung, was schließlich zur Bildung der Untergrund-
organisation PKK führte. Diese lieferte sich seit den 1980er Jahren einen
blutigen und erbitterten Kampf gegen die türkische Regierung ...
Die Kurden kämpfen also seit dem Ende des ersten Weltkrieges für einen
eigenen Staat, der ihnen damals von den Westmächten und der Türkei zwar
versprochen wurde, aber bis heute verwehrt wird ...
Im Winter 2012 begannen schließlich Friedensverhandlungen zwischen der
türkischen Regierung und der PKK – und am 21. März 2013 erklärte PKK-Führer
Öcalan eine Waffenruhe und den Rückzug der PKK-Einheiten aus der Türkei.
Seitdem wurde der Waffenstillstand weitgehend eingehalten.
Druch den Eroberungsfeldzug des “IS” verschlechterten sich jedoch im Laufe
des Jahres 2014 wieder die Beziehungen zwischen der Türkei und der PKK. Vor
allem seit dem Kampf um die kurdische Stadt Kobane, bei dem die türkische
Regierung die Hilfe für die kurdischen Kämpfer und Kämpferinnen verweigerte.
Begründet wird das harte Vorgehen gegen die PKK vor allem damit, dass diese
eine Terrororganisation sei.
Doch entspricht das (noch immer) den Tatsachen? Was will die PKK, was
wollen die Kurden, tatsächlich?
PKK (Arbeiterpartei Kurdistan)
und der Kampf gegen den IS
Wieland Schneider hat als einer der wenigen westlichen Journalisten den
Kampf gegen den IS vor Ort verfolgt. Dabei begleitete er kurdische Frauen-
einheiten und Peshmerga-Kämpfer an der Front und sprach auch mit dem Chef
der kurdischen Untergrundorganisation PKK.
Dieser bestätigte damals (Frühjahr 2013) den Abzug der PKK-Kämpfer und
sagte unter anderem:„Ein historischer Prozess hat begonnen. Wir wollen die
kurdische Frage lösen und der Türkei Frieden bringen.“ Von der Regierung in
Ankara erwartete sich der PKK-Vorsitzende die Stellung der Kurden zu ver-
bessern, sie als Volk in der türkischen Verfassung zu verankern. Von ihrer
einstigen Forderung nach einem eigenen Land für die Kurden hat sich die PKK
im Übrigen mittlerweile verabschiedet ...
Wieland Schneider weist in seinem Buch darauf hin, dass die PKK seit den
Achtzigerjahren mehrere Wandlungen durchlaufen hat und jetzt nicht mehr den
radikalen Marxismus-Leninismus ihrer Anfangszeit vertritt.
Trotzdem steht sie nach wie vor in den USA und der EU auf der Liste der Ter-
rororganisationen. PKK-Vorsitzende Murat Karayilan bezeichnete dies gegen-
über W.Schneider als „inakzeptabel“: „Wir sprechen von einer Bewegung, die
unter den Kurden Millionen Sympathisanten hat. Die EU sollte uns von der
Terrorliste nehmen. Wenn sie das nicht tut, bedeutet das, dass Europa nicht an
einem Friedensprozess interessiert ist.“
Und Karayilan wies auch auf die Tatsache hin, dass die Peshmerga der PKK
ebenso wie die kurdischen Milizen der PYD den IS bekämpfen – und damit
einem Feind gegenüber stehen, der letzten Endes auch ein Feind der Europäer
ist ...
Wieland Schneider durfte damals (Frühjahr 2013) übrigens den Rückzug der
PKK-Kämpfer beobachten …
Übrigens: rund ein Drittel aller PKK-Kämpfer sind Frauen, siehe …
Leider hat sich die Hoffnung der kurdischen PKK-Kämpfer auf Frieden im
allgemeinen und mit der Türkei im speziellen bis jetzt (Oktober 2015) nicht
realisiert.
Denn: Im Laufe des Jahres 2014 gab es wie bereits erwähnte einen neuen
Feind, der die Kurden und die autonomen Kurdengebiete in Syrien und Nord-
irak bedrohte: die Dschihadisten des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS,
vormals ISIL / ISIS) eroberten im Juni 2014 Mosul und verübten einen Genozid
an den Jesiden.
Und auch die Kurden sind akut bedroht. Nur mit Hilfe der USA und ihren
Verbündeten, die seit August 2014 die irakischen und kurdischen Kämpfer mit
Luftschlägen unterstützen, konnte bis jetzt verhindert werden, dass der IS die
kurdischen Gebiete unter seine Kontrolle bringen und einen Genozid am
kurdischen Volk verüben konnte.
Die Türkei schaute jedoch tatenlos zu. Aber nicht nur das. Es schien sogar, als
unterstütze die türkische Regierung heimlich die IS-Dschihadisten, wodurch
die alten Feindseligkeiten zwischen der türkischen Regierung und der PKK
wieder zunehmend aufflammten.
Anscheinend fürchtet die türkische Regierung unter Präsident Erdogan einen
autonomen (demokratischen / säkularen) Kurdenstaat mehr als ein muslimi-
sches „Kalifat“ - also einen muslimischen “Gottesstaat”, in dem die „Scharia“
(= ein absolut barbarisches Rechtssystem, in dem Frauen keinerlei Rechte haben und
auch andere Menschenrechte massiv verletzt werden) herrscht. Das erste Mal zeig-
te sich das in aller Deutlichkeit im Herbst 2014 beim „Kampf um Kobane“ …
Und wie bereits erwähnt bombardiert die türkische Luftwaffe seit Juli 2015
massiv die kurdischen Guerilla-Kämpfer der PKK, wobei erwähnt werden muss,
dass dies moralisch absolut verwerflich ist, da die Kurden dem türkischen
Staat militärisch weit unterlegen sind ...
Und die Weltgemeinschaft sieht tatenlos zu. Ja, Erdogan wird für diese ab-
scheuliche Vorgehensweise nun nicht einmal mehr kritisiert. Weder von den
USA, noch der EU oder Deutschland …
Dabei sind, wie bereits erwähnt, die kurdischen Kämpfer und Kämpferinnen die
wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf gegen den “Islamischen
Staat” !!!
Jedenfalls sollten die USA und die EU in Anbetracht des „IS“ - der letztendlich
nicht nur wegen der Terrorgefahr sondern auch wegen den massiven Flücht-
lingsströme eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den Westen darstellt - die
Kurden mehr unterstützen. Auch in ihrem Bestreben nach einem eigenen
Kurdenstaat - der ihnen überdies auch völkerrechtlich zusteht !!!
Ebenso sollte von der EU und den USA überprüft werden, ob es immer noch
angebracht ist, die PKK als Terrororganisation einzustufen !!
Weitere Details zu den Kurden, siehe …