Die Beziehungen zwischen Lateinamerika und den Vereinigten Staaten sind seit
dem 18. Jahrhundert geprägt durch den Gegensatz zwischen dem Unabhängig-
keitsstreben der lateinamerikanischen Staaten und der Einflussnahme der USA
auf deren Politik und Wirtschaft. Traditionell werden vor allem die Staaten
Mittelamerikas von den USA als ihr „Hinterhof“ (backyard) betrachtet. Je nach
außenpolitischer Orientierung der Vereinigten Staaten kam es dabei zu Phasen
massiver Einflussnahme, bis hin zu von Washington organisierten Regierungs-
wechseln, Putschen gegen gewählte Regierungen und direkten militärischen
Interventionen.
Besonders während des Kalten Krieges (ca. 1947–1989) befürchteten die USA
eine Ausweitung des Kommunismus und stürzten in einigen Fällen demokratisch
gewählte Regierungen auf dem amerikanischen Kontinent, die als links und/oder
als unfreundlich gegenüber US-amerikanischen Wirtschaftsinteressen eingestellt
angesehen wurden.
Dazu gehörten etwa der Staatsstreich in Guatemala 1954, der Putsch in Chile
1973 und die Unterstützung der Aufständischen im nicaraguanischen Contra-
Krieg, wobei oft mit Unterstützung des Auslandsgeheimdienstes CIA rechts-
autoritäre Regime oder Militärdiktaturen eingesetzt wurden.
In den 1970er und 1980er Jahren wurde als Folge dieser Politik schließlich ein
Großteil der Länder Mittel- und Südamerikas von rechtsgerichteten Militär-
diktaturen regiert, die wegen ihrer antikommunistischen Ausrichtung von den
USA gestützt und gefördert wurden, wobei man die massiven Menschenrechts-
verletzungen durch die Regime billigend in Kauf nahm beziehungsweise sogar
inoffiziell befürwortete (siehe auch Domino-Theorie und Schmutziger Krieg
In den späten 1980er und 1990er Jahren wurden die Diktaturen in den meisten
Ländern von demokratisch gewählten, meist bürgerlichen Regierungen abgelöst,
die überwiegend eine neoliberale Wirtschaftspolitik verfolgten, was von den
USA begrüßt und gefördert wurde.
In den 2000er Jahren kamen als Gegenreaktion in zahlreichen lateinamerikani-
schen Ländern linke Parteien durch Wahlen an die Macht, was unter anderem auf
der gefühlten Enttäuschung über die Ergebnisse der neoliberalen Politik beruhte
und sich zum Teil äußerst negativ auf die Beziehungen zu den USA auswirkte.
Die Regierungen Kubas, Venezuelas, Nicaraguas, El Salvadors, Boliviens und
Ecuadors werden gewöhnlich als links bis teilweise auch als autokratisch-kom-
munistisch bezeichnet, die Regierungen Costa Ricas, Brasiliens, Perus, Chiles
und Uruguays als gemäßigt links.
Sozialdemokratische und liberal-konservative Regierungen wie in Argentinien,
Paraguay, Belize, Honduras, Panama und Kolumbien führen teilweise gute
Beziehungen mit den USA.
Mexiko und die USA führen durchwachsene Beziehungen, da es auf der einen
Seite eine enge Kooperation im Bereich Wirtschaft und Freihandel, sowie auch
bei internationalen Fragestellungen gibt, auf der anderen Seite jedoch immer
wieder Spannungen bezüglich der illegalen Einwanderung in die Vereinigten
Staaten über die US-amerikanische Südgrenze, oder den Drogenschmuggel auf-
kommen. Allerdings gibt es auch auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität
feste Zusammenarbeit, um die Drogenkartelle zu bekämpfen.
Die ausbeuterische Beziehung von den (”hoch entwickelten”) USA zu ihrem
“Hinterhof” lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
„Die meisten Lateinamerikaner haben beobachtet, wie ihr nördlicher Nachbar
immer reicher wurde; sie haben beobachtet wie die Eliten ihres eigenen
Landes reicher wurden – aber die Menschen in den Straßen oder auf dem
Land leben im heutigen Lateinamerika immer noch von der Hand in den
Mund wie ihre Großeltern… Sie werden immer unglücklicher in Zuständen, in
denen, um ein Beispiel zu nennen, 40 Prozent des Bodens von einem Prozent
der Menschen besessen wird, oder in denen eine sehr kleine Oberschicht in
Glanz und Pracht lebt während die meisten anderen in Elend ihr Leben
fristen.“
Nachfolgend diese zutiefst menschenverachtende Politik von den technolo-
gisch wie militärisch massiv überlegenen USA (deren Gründerväter sich
einst das Prinzip der “Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit” auf die Fahne
geschrieben haben) gegenüber dem lateinamerikanischen Kontinent im
Detail:
Die 1947 propagierte Truman-Doktrin besiegelte das Prinzip der Containment-
Politik der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg und hatte auch Konsequenzen für
Lateinamerika, das von den USA als Teil einer westlichen, freien Welt angesehen
wurde.
Es müsse die Politik der Vereinigten Staaten sein, erklärte Truman, freie Völker zu
unterstützen, die gegen eine Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten des
eigenen Landes oder externen Druck kämpfen würden.
Truman brachte die USA dazu, 400 Millionen Dollar auszugeben für den ersten
Einsatz der (durch den National Security Act) neu gegründeten Central Intell-
igence Agency (CIA) im Griechischen Bürgerkrieg.
Mit dieser Unterstützung schuf Truman einen Präzedenzfall für zukünftige
Einsätze des US-Militärs in fremden Ländern, das Regimen unabhängig von
ihrem Grad an Korruption und Repression zu Hilfe kam, solange es dazu
diente, Kommunisten zu bekämpfen.
Washington begann, weltweit eine Reihe von Verteidigungsverträgen abzu-
schließen, beispielsweise den Nordatlantikvertrag, aus dem die NATO hervor-
ging, und 1951 gemeinsam mit Australien und Neuseeland das ANZUS-
Abkommen ...
Mit dem Ziel der Bekämpfung des Kommunismus rechtfertigten die USA
eine Reihe von Eingriffen in die Souveränität lateinamerikanischer Länder.
Die Operation PBSUCCESS, die 1954 den demokratisch gewählten Präsidenten
von Guatemala, Jacobo Árbenz Guzmán, stürzte, war die erste solcher
Interventionen.
In Guatemala hatte es seit 1944 einen Reformprozess gegeben, in dessen Verlauf
eine Agrarreform geplant war, die den Interessen der US-amerikanischen United
Fruit Company entgegenstand.
Der Einmarsch der CIA führte zur Einsetzung des Diktators Carlos Castillo Armas
und zu einer Folge autoritärer Herrscher, aus der sich Guatemala erst in den 1980er
Jahren befreien konnte.
Die lateinamerikanische Gemeinschaft war außerdem bestürzt von einigen Freund-
lichkeiten, die die USA diktatorischen Herrschern gegenüber zeigten. So lobte
etwa der US-Botschafter in der Dominikanischen Republik den regierenden Dik-
tator Rafael Trujillo in höchsten Tönen.
Diktatorische Regime, wie etwa in Kuba, Peru oder Kolumbien, bekannten sich in
den frühen 1950er Jahren offiziell zum Kampf gegen den Kommunismus.
1960er Jahre: Zwischen Gleichberechtigung und Bevormundung -
Ermordung Kennedys und die Folgen der kubanischen Revolution
„Wir haben nicht nur eine Diktatur in Kuba unterstützt – wir haben auch Diktatoren in
Venezuela, Argentinien, Kolumbien, Paraguay und in der Dominikanischen Republik
unterstützt. Nicht nur in Kuba haben wir Armut und Not ignoriert – in der gesamten
Hemisphäre haben wir es in den letzten acht Jahren nicht fertig gebracht, Armut und
Not abzubauen.“
– John F. Kennedy, US-amerikanischer Präsident, 6. Oktober 1960
Am 13. Mai 1961 kündigte John F. Kennedy in seinem Zehnjahresplan für
Amerika an, jeder amerikanischen Republik die Freiheit zu lassen, Herrin
ihrer eigenen demokratischen Revolution zu werden. Er wollte damit zeigen,
dass das Streben der Menschheit nach wirtschaftlichem Fortschritt und sozialer
Gerechtig-keit die besten Früchte in demokratischen Systemen trage.
Die neue Außenpolitik der Allianz für den Fortschritt beinhaltete ein wirtschaft-
liches Entwicklungsprogramm für Lateinamerika (Act of Bogotá).
Zu dieser Zeit unterhielten acht lateinamerikanische Staaten diplomatische Bezie-
hungen zur Sowjetunion und nur Argentinien, Uruguay, Mexiko und Brasilien
standen in einem schwachen Handelskontakt zu Moskau.
Tatsächlich setzten die USA zwischen dem Beginn der Allianz für den Fort-
schritt 1961 und der Ermordung Kennedys 1963 wirtschaftliche und diplo-
matische Beziehungen zu mehreren Diktaturen aus, darunter Argentinien, die
Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Honduras und Peru. Die Aus-
setzungen beschränkten sich jedoch auf kurze Zeitperioden von drei Wochen bis
zu sechs Monaten.
Das Programm zur Benachteiligung diktatorischer Regime wurde dann -
nachdem J.F.KENNEDY ermordet worden war - 1964 unter Präsident
Johnson wieder eingestellt.
Die Kubanische Revolution
hatte 1959 in Kuba eine nationalistische
Tendenz entstehen lassen, deren weitere Ausrichtung noch nicht abzusehen
war.
1960 begann Kuba damit, politische, militärische und wirtschaftliche Beziehungen
zur Sowjetunion aufzubauen.
Als Antwort darauf begann nun die USA lateinamerikanische Militärs in der
umstrittenen School of the Americas (dem heutigen Western Hemisphere
Institute for Security Cooperation)
in Taktiken zur Aufstandsbe-
kämpfung auszubilden.
Das US-amerikanische Office of Public Safety (deutsch: Büro für Öffentliche
Sicherheit), das der CIA nahestand und von der Behörde der Vereinigten Staaten
für internationale Entwicklung gesteuert wurde, unterstützte amerikanische
Sicherheitskräfte mit einem Training in Befragungsmethoden und Aufstands-
bekämpfung sowie mit Ausrüstung.
In Uruguay wurde der US-Polizeioffizier Daniel Mitrione bekannt für seine
systematische Anwendung von Folter. So forcierte die Allianz für den Fort-
schritt vor allem Maßnahmen politischer und militärischer Zusammenarbeit zur
Bekämpfung kommunistischer Tendenzen und Guerillagruppen.
Nach den Erfahrungen der kubanischen Verstaatlichungen setzten die USA in
einer Ergänzung (Hickenlooper Amendment) zum Foreign Assistent Act zudem
die außenpolitische Leitlinie fest, die Entwicklungshilfe der Allianz für den
Fortschritt in jedem Land zu beenden, in dem es Enteignungen von US-
Firmen ohne entsprechende Entschädigungszahlungen gegeben hatte.
Dies führte zunächst dazu, dass Honduras 1962 eine geplante Landreform, die die
Neuaufteilung ungenutzten Bodens (teilweise Besitz der United Fruit Company)
erlauben sollte, nun abschwächte.
Auch froren die USA zwischen 1963 und 1966 Hilfen für Peru ein, um das Land
dazu zu bewegen, einen Streit mit der International Petroleum Company, einem
Ableger der früheren US-amerikanischen Standard Oil Company, beizulegen.
Diese Absicht scheiterte aufgrund mangelnder Kommunikation.
1962 und 1963 gab es Militärputsche in Argentinien, Peru, Guatemala,
Ecuador, der Dominikanischen Republik und Honduras.
Im März 1964 befürworteten die USA den Militärputsch in Brasilien gegen
den linken Präsidenten João Goulart und standen bereit, mit der Operation
Brother Sam zugunsten der Putschisten einzugreifen.
Bei vielen Staaten hinterließ dies den bitteren Eindruck, die USA würden konser-
vative Militärputsche gegenüber sozialdemokratischen oder sozialistischen
gewählten Regierungen vorziehen.
Ein Jahr später sandten die USA 24.000 Soldaten in die Dominikanische
Republik, um unter Operation Power Pack eine mögliche linke Macht-
übernahme zu verhindern. Juan Bosch war 1962 zum Präsidenten der Domini-
kanischen Republik gewählt und 1963 durch einen Militärputsch entmachtet
worden. Als er versuchte, wieder an die Macht zu gelangen, riefen Anhänger der
gegenwärtigen Militärdiktatur mit Verweis auf eine angebliche kommunistische
Gefahr die USA zu Hilfe und erhielten militärische Unterstützung. Die Truppen,
die sich zu einem kleinen Teil auch aus Kräften anderer OAS-Staaten zusam-
mensetzten, verhalfen Boschs Rivalen Joaquín Balaguer in das Präsidialamt und
zogen sich 1966 zurück. Durch diese Intervention und die Hickenlooper-Politik
erlag die Allianz für den Fortschritt einem großen Ansehens- und Bedeut-
ungsverlust in Lateinamerika.
Die allgemeine Stimmung in Lateinamerika gegenüber den USA zu dieser Zeit
fasste der kubanische Revolutionär Che Guevara folgendermaßen zusammen:
„Der [US-amerikanische] Slogan "We will not allow another Cuba" blendet die
Möglichkeit aus, Nichteinverständnis ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen
auszudrücken – wie sie in der Dominikanischen Republik oder vorher beim
Massaker in Panama angewendet wurden – und es beinhaltet die eindeutige
Warnung, dass die nordamerikanische Armee bereit ist zu intervenieren, wo
immer in Lateinamerika ein regierendes Regime gestürzt wird, wenn dies ihren
Interessen widerspricht.“
– Che Guevara, 16. April 1967
1970er Jahre: Die Ära der Juntas - US-Unterstützung
von Diktaturen und Todesschwadronen
Doch es wurde nicht besser, sondern noch schlimmer. Nach der Kubanischen
Revolution 1959 und der Umsetzung der Fokustheorie Che Guevaras in vielen
Ländern führten die USA vor allem über ihre Geheimdienste und militärische
Zusammenarbeit einen „geheimen Krieg“ gegen die „kommunistische
Unterwanderung“ Südamerikas.
Den Enteignungen einiger nordamerikanischer Firmen in Chile, ab 1970 regiert
vom demokratisch gewählten, sozialistischen Präsidenten Salvador Allende,
begegneten die USA mit wirtschaftlichen Sanktionen.
1973 unterstützten sie finanziell Demonstrationen und Aktionen der chilenischen
Opposition, die den Sturz Allendes zum Ziel hatten. Diese Unterstützung der
chilenischen Rechten durch Geheimdienstaktivitäten führte zum Staatsstreich
1973 durch Augusto Pinochet.
Innerhalb weniger Jahre vor und nach den Ereignissen in Chile gelangten auf
ähnliche, oft von den USA geheimdienstlich unterstützte Art und Weise weitere
rechtsgerichtete Militärdiktaturen in Südamerika an die Macht, sogenannte
Militärjuntas.
In Paraguay herrschte bereits seit 1954 Alfredo Stroessner; in Brasilien wurde
beim Militärputsch von 1964 der linke Präsident João Goulart gestürzt; in Bolivien
stürzte General Hugo Banzer 1971 den linken General Juan José Torres; in
Uruguay erputschte sich Juan María Bordaberry am 27. Juni 1973 die Macht. In
Peru wollte der linke General Juan Velasco Alvarado (seit 1968 an der Macht) mit
seinem Militär bewaffnete Kräfte Pinochets bei einer Invasion in Chile besiegen.
Alvarados Diktatur war eine der wenigen linksgerichteten Militärdiktaturen in der
jüngeren Geschichte Lateinamerikas.
Und dann begann die Ära der „schmutzigen Kriege“ und die
„Operation Condor“: Schmutzige Kriege von Militärdiktaturen gegen die
eigene Bevölkerung, das heißt die gewaltsame illegale Unterdrückung jeglicher
Opposition, breiteten sich auf dem gesamten Kontinent aus. Dies wurde in der
Regel vom massiven Einsatz so genannter Todesschwadronen begleitet, die
faktisch informelle staatliche Mordkommandos waren und politische Gegner
illegal umbrachten oder „verschwinden ließen“ ...
Atempause des Kalten Krieges in Lateinamerika
Nach der Wahl von US-Präsident Jimmy Carter 1977 schwächten die USA
kurzzeitig ihre Unterstützung für autoritäre Regime in Lateinamerika ab...
1980er Jahre: Reagan-Doktrin und „verdeckte Operationen“
Der Amtsantritt Ronald Reagans 1981 resultierte jedoch in einer erneuten
Unterstützung rechts-autoritärer Regime , allerdings wurde auch die Kritik daran
lauter ...
1990er Jahre: Neoliberalismus in Laeinamerika
Während die Auswirkungen der Globalisierung auf der ganzen Welt zu spüren
waren, prägte die interamerikanischen Beziehungen in den 90er Jahren vor allem
der Washington Consensus, der eine Reihe von neoliberalen Wirtschaftsreformen
in Lateinamerika einleitete. Demokratisierungen und die Etablierung neoliberaler
Wirtschaftsmodelle gingen in fast ganz Lateinamerika Hand in Hand ...
2000er Jahre: Demokratischer Sozialismus: Die Wahl v.H.Chávez zum
Präsidenten Venezuelas 1998 leitete einen Linksruck in Lateinamerika ein ...